Gezeter nach dem 4:0

Borussia Dortmund wirft Kieler Überraschungsteam aus dem Pokal und kritisiert Platz, DFB und ARD

  • Erik Eggers, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Trainer hatte wieder die Säge gezeigt, jene seltsame Form des Jubels, die einst Stefan Kuntz nach Toren in der Bundesliga kultiviert hatte. Mit diesen ekstatischen Ausbrüchen an der Seitenlinie demonstrierte Jürgen Klopp, dass Trainer und Spieler Borussia Dortmunds das DFB-Pokal-Viertelfinale beim Viertligisten Holstein Kiel überaus ernst genommen hatten. »Ich war aufgrund der Konstellation so heiß und so unter Strom, dass ich den Jungs den Eindruck vermitteln konnte, hier geht es um die Weltmeisterschaft«, erklärte Klopp später.

Als der souveräne 4:0 (2:0)-Sieg des Deutschen Meisters in der norddeutschen Fußballprovinz besiegelt war, schlug dieser Jubel um in Wut. Nicht der eisige Ostwind im Holstein-Stadion hatte den Dortmundern die Röte ins Gesicht getrieben. Sondern der Zorn ob der üblen Bodenverhältnisse.

Die Gastgeber hatten sich größte Mühe gegeben, den Rasen bespielbar zu machen: Ein neuer Rollrasen war im Januar verlegt worden, und als der Frost kam, schützten eine Zeltkonstruktion mit Warmluftzufuhr das Grün. Erst drei Stunden vor Anpfiff hatten die Gastgeber die Plane entfernt, aber alle Bemühungen erlaubten nach Ansicht der Dortmunder kein seriöses Fußballspiel. »Man spielt ja auch kein Eishockey auf Rasen«, zeterte Klopp.

Als besonders tückisch empfand er die unterschiedlichen Verhältnisse auf dem Rechteck. »In der Mitte des Feldes brauchte man Noppen, und auf den Außenbahnen Stollen«, berichtete Klopp und wurde sarkastisch: »Nur ist es ja leider noch nicht möglich, dass man während eines Sprints die Schuhe wechselt.«

Die Verletzungsgefahr sei zu groß gewesen, kritisierte der 44-Jährige. Als Beleg dafür verwies er auf den Kieler Innenverteidiger Aaron Berzel, der mit dem Hinterkopf auf den harten Boden gestürzt war. Als sich ein Reporter die Frage erlaubte, was denn konkret das Problem gewesen sei, reagierte Klopp mit einer giftigen Gegenfrage: »Sagen Sie, haben Sie jemals selbst Fußball gespielt?«

Vor allem den übertragenden Fernsehsender ARD machte Klopp dafür verantwortlich, dass diese Partie angepfiffen worden war. »Da muss man drüber nachdenken, wenn das Fernsehen so einen großen Einfluss hat«, wütete Klopp, der sich eine Absage offenbar gewünscht hätte. »Wenn das Fernsehen so einen großen Druck ausübt, dann wird es schwierig. Ich kann mir keine Verhältnisse vorstellen, unter denen dieses Spiel abgesagt worden wäre«, beschrieb Klopp die Zwänge des Profisports. Verteidiger Mats Hummels stimmte seinem Trainer zu: »Die wollten das Spiel unbedingt durchbringen.«

ARD-Reporter Gerhard Delling widersprach sofort dem Vorwurf, das Fernsehen habe einer Spielabsage entgegengewirkt. Und auch die Kieler Verantwortlichen, die doch alles Mögliche getan hatten, reagierten gereizt auf die Kritik. »Menschenskinners!«, sagte Holstein-Präsident Roland Reime. Dies wären zwar schwierige Platzverhältnisse gewesen. »Aber das sind doch alles erwachsene Männer, die nur ein Fußballspiel zu spielen haben.«

Klopp freilich kennt diese Argumente. »Natürlich wird es wieder heißen. Die verdienen doch eine Riesenkohle«, sagte der Trainer. Und dass sie gefälligst kicken sollten. So bemühte er sich in dieser heiklen Frage letztlich doch um Sachlichkeit. »Wenn eine Heimmannschaft keinen vernünftigen Untergrund zur Verfügung stellen kann, weil er keine Rasenheizung hat, dann muss der DFB für diesen Fall eine Regeländerung durchführen«, forderte er Konsequenzen. »Dann muss ein solches Spiel eben in ein anderes Stadion verlegt werden, fertig.«

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