Sarkozys Freunde holen nach rechts aus

Frankreichs Innenminister setzt im Präsidentschaftswahlkampf auf rassistische Parolen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einer rechtspopulistischen Provokation hat Frankreichs Innenminister Guéant eine Protestwelle losgetreten. Gleichzeitig machte er damit deutlich, dass den Freunden von Präsident Sarkozy jedes Mittel recht ist, um diesem bei der bevorstehenden Wahl möglichst viele Stimmen vom rechten Rand zu sichern.

»Anders als uns die relativierende Ideologie der Linken weismachen will, sind nicht alle Zivilisationen gleich viel wert«, hatte Minister Claude Guéant am vergangenen Wochenende in Paris auf einer Veranstaltung der rechtskonservativen Studentenvereinigung UNI erklärt. Die westliche Zivilisation sei »jenen überlegen, die Tyrannei, Unterdrückung der Frau, sozialen und ethnischen Hass vertreten«, meinte er.

Der rassistische Ausfall hat nicht nur in der linken Opposition und bei Ausländervereinigungen Empörung ausgelöst. Selbst Parteifreunde gingen auf Distanz zu Guéant. So meinte Außenminister Alain Juppé, die Wortwahl seines Ministerkollegen könne »Verwirrung auslösen«. Präsident Nicolas Sarkozy distanzierte sich zwar nicht von seinem Freund, aber indem er ihn - offensichtlich bewusst - falsch zitierte und in einem Atemzug »Zivilisationen, politische Regimes und religiöse Eiferer« nannte, die es »gegeneinander abzuwägen« gelte, relativierte er doch Guéants plumpen Ausfall.

Der Innenminister fällt schon seit Monaten mit Äußerungen gegen Ausländer und Franzosen ausländischer Herkunft auf, die ganz offensichtlich jene Franzosen anlocken sollen, die bei der Präsidentschaftswahl und den darauf folgenden Parlamentswahlen für die rechtsextreme Front National stimmen könnten. »Die Zahl der Muslime unter uns und das Verhalten eines Teils von ihnen ist ein echtes Problem«, erklärte der Minister im vergangenen Frühjahr. Im Sommer legte er nach: »Die massive Zuwanderung von Ausländern führt dazu, dass sich viele Franzosen in unserem Land nicht mehr zu Hause fühlen.«

Damit jagt Guéant ganz eindeutig im Revier der FN nach Anhängern und Wählern. Einer Umfrage von Ende Januar zufolge ist jeder dritte Franzose »empfänglich für die Argumente der Front National« und glaubt, dass die FN »die wirklichen Probleme anspricht und die richtigen Fragen stellt«. Darauf baut die FN-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, doch gelegentlich fällt sie sich in ihrem Eifer selbst in den Rücken. Dass sie sich kürzlich von der österreichischen rechtsextremen FPÖ zum Ball der Burschenschaften in die Wiener Hofburg einladen ließ, wohl um Schulterschluss mit Gleichgesinnten in Europa zu demonstrieren, hat ihr in der öffentlichen Meinung geschadet. Denn kurz darauf waren dort gefallene antisemitische Äußerungen des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache bekannt geworden.

Marine Le Pen hatte seit Übernahme des FN-Parteivorsitzes immer wieder versucht, ähnliche Entgleisungen ihres Vaters, der beispielsweise die Gaskammern der Konzentrationslager als »Detail der Geschichte« abtat, vergessen zu machen. Beim ersten Gang der Präsidentschaftswahl kann sie mit 16 bis 20 Prozent der Stimmen rechnen. Doch dazu muss sie erst einmal als Kandidatin offiziell registriert sein. Dafür hat jeder Bewerber mindestens 500 Unterschriften von Bürgermeistern vorzulegen, die - ohne für den Kandidaten Partei zu ergreifen - der Meinung sind, dass seine Teilnahme an der Wahl der demokratischen Willensbildung förderlich ist. Marine Le Pen behauptet, davon noch weit entfernt zu sein, »weil die Bürgermeister von den großen Parteien unter Druck gesetzt werden«. Dieses medienwirksame Opfergeschrei hat auch schon ihr Vater, der Gründer und langjährige FN-Vorsitzende Jean-Marie Le Pen, regelmäßig vor den Präsidentschaftswahlen angefangen - und dann doch immer die nötigen Signaturen vorgelegt.

Wenn die Behauptung von Marine Le Pen diesmal kein Bluff ist und sie tatsächlich als Kandidatin ausscheidet, dann gibt es eine ganz neue Lage. Einer am vergangenen Wochenende veröffentlichten Umfrage zufolge würden dann der sozialistische Herausforderer François Hollande und Sarkozy im ersten Wahlgang mit jeweils 33 Prozent der Stimmen gleichauf abschneiden. Der amtierende Staatschef, der in allen anderen Umfragen deutlich hinter seinem sozialistischen Herausforderer rangiert, hätte dann vielleicht doch noch eine Chance, sich für weitere fünf Jahre im Pariser Elysée-Palais zu halten. Doch dafür braucht er möglichst viele rechtsextreme Wählerstimmen - um die sich Innenminister Claude Guéant und andere Sarkozy-Freunde bestimmt weiter tatkräftig und lautstark kümmern werden.

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