Proteste gegen ACTA-Abkommen

Demonstranten bleiben wachsam - auch wenn die Bundesregierung den Internet-Vertrag vorerst nicht unterzeichnet

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz eisiger Temperaturen sind am Samstag europaweit rund 200 000 Menschen in mehr als 150 Städten gegen das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA auf die Straße gegangen.

Der massive Protest der Internetgemeinde gegen das von EU-Kommission und anderen Ländern wie den USA, Australien und Japan ausgehandelte Urheberrechtsabkommen ACTA hat am Wochenende die Straßen zahlreicher europäischer Innenstädte erreicht. Nach Angaben der an den Protesten beteiligten Occupy-Bewegung nahmen am Samstag rund 200 000 zumeist junge Menschen an den Demonstrationen teil.

Die bundesweiten Aktionen wurden vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac sowie von den Grünen und der Linkspartei unterstützt. Kritiker von ACTA sehen in dem Abkommen eine ernsthafte Gefahr für die Freiheit im Internet. Sie befürchten, dass die häufig sehr schwammig ausfallenden Formulierungen von den beteiligten Staaten genutzt werden könnten, um kritischen Aktivisten den Zugang zum Internet zu erschweren oder um politisch unliebsame Webseiten zu zensieren.

Unterstützung für das Abkommen kommt dagegen vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Deren Hauptgeschäftsführer Markus Kerber erklärte, ACTA leiste einen wichtigen Beitrag zum Schutz deutscher Innovationen im internationalen Handel. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft sieht das Abkommen dagegen kritisch. So würden durch ACTA insbesondere Internetprovider zu »Hilfssheriffs bei der Verfolgung von Rechtsverletzungen« zugunsten der Copyright-Industrie gemacht.

Für einiges Aufsehen unter den ACTA-Gegnern hatte am Freitag eine Ankündigung des Auswärtigen Amtes gesorgt. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, Deutschland werde das Abkommen vorerst nicht unterzeichnen. Grund für diese Entscheidung seien Bedenken der zuständigen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. »Es ist notwendig und geboten, dass alle Fakten auf dem Tisch liegen«, so die Ministerin. Gleichzeitig forderte sie das Europäische Parlament dazu auf, sich intensiv mit ACTA zu befassen und alle offenen Fragen und jede Kritik zu behandeln. »Das Europäische Parlament muss entscheiden, ob es ACTA will oder nicht will.«

Interessant ist dieser eindeutig als Zugeständnis an die Gegner des Abkommens zu wertende Schritt der Justizministerin deshalb, da die FDP-Politikern bisher stets erklärte, durch ACTA würde sich nichts an der bestehenden deutschen Gesetzeslage ändern. Ein wesentlicher Kritikpunkt der Gegner des Urheberrechtsabkommens ist, dass der Vertrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit und gleichzeitiger massiver Beteiligung von Lobbygruppen der Industrie verhandelt wurde.

Überrascht über den Rückzieher der Bundesregierung äußerte sich der Europa-Abgeordnete Daniel Caspary im Interview mit Deutschlandradio Kultur. Zwar sprach sich der CDU-Politiker für eine offene parlamentarische Prüfung des Abkommens aus, erklärte allerdings gleichzeitig, er könne in dem Text keine Einschränkungen der Internet- oder Meinungsfreiheit erkennen. Zuspruch erhielt die Ministerin von der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

Unterdessen warnen die Kritiker vor viel Jubel. »Wir dürfen jetzt nicht vergessen, dass der aktuelle Sieg nur ein vorläufiger ist: Die Bundesregierung kann ihre Entscheidung jederzeit wieder ändern«, mahnt der Bundeschef der Piratenpartei Deutschland, Sebastian Nerz und ruft zu weiteren Protesten gegen ACTA auf.

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