Myanmars krankes Gesundheitssystem

Geberländer zeigen HIV-Infizierten und Tuberkulosekranken die kalte Schulter

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Ärzte ohne Grenzen gibt es keine Zweifel: In Myanmar stehen viele Menschenleben auf dem Spiel, weil aufgrund der Unterfinanzierung des globalen UNO-Seuchenfonds viele mit HIV Infizierte nicht mit Medikamenten versorgt werden können.

85 000 Menschen in Myanmar (Burma) mit HIV haben keinen Zugang zu den lebensrettenden antiviralen Therapien. Jedes Jahr sterben 15 000 bis 20 000 Myanmarer an den Folgen von Aids, weil es an Medikamenten fehlt. Nur etwa 300 der 9300 Menschen in Myanmar, die jährlich an Tuberkulose (TB) erkrankten, können mit Medikamenten versorgt werden. Dieses dramatische Bild über die Aids- und TB-Situation in Myanmar zeichnet die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) in ihrem gerade in Bangkok veröffentlichten Bericht »Lives in the Balance« (Leben stehen auf dem Spiel).

Ärzte ohne Grenzen warnen vor den verheerenden Auswirkungen, die die Streichung einer Finanzierungsrunde des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria auf Myanmar haben wird. Dadurch werde es dort bis 2014 keine Finanzierung für die Ausweitung von HIV- und TB-Therapien geben. »Einmal mehr zeigen die Geber den Menschen mit HIV und TB in Myanmar die kalte Schulter«, kritisierte Peter Paul de Groote, Leiter von MSF Myanmar. De Groote fordert Geberländer und -organisationen auf, vor dem Hintergrund der politischen Reformen in Rangun die Hilfe für die Menschen mit HIV und TB zu einer Priorität zu erklären.

Myanmar ist nach Jahrzehnten der Militärdiktatur das am wenigsten entwickelte Land Südostasiens. Die von den westlichen Ländern verhängten Wirtschaftssanktionen betrafen bisher auch die finanziellen Hilfen für humanitäre und soziale Entwicklungsprojekte. Nach Angaben von Entwicklungshilfeorganisationen erhält Rangun weniger als fünf US-Dollar pro Jahr und Kopf der Bevölkerung Entwicklungshilfe. In ähnlichen armen Ländern wie Kambodscha oder Laos betrage die Hilfe 48 beziehungsweise 66 Dollar pro Jahr und Kopf.

Verschärft wurde die Lage durch die Selbstisolation Myanmars durch die Militärjunta, die erst vor einem Jahr einen zivilen Präsident einsetzte. Die Generäle kümmerten sich zudem kaum um das Gesundheitswesen. Dafür gibt Myanmar nach Schätzungen von Experten nur zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes aus. Es liegt damit weltweit gemeinsam mit Nordkorea auf dem letzten Platz.

Unter den wenigen Organisationen, die in Myanmar bisher aktiv sein durften, gehören neben den MSF das Welternährungsprogramm der UNO sowie der Malteser Hilfsdienst. Die Hilfsorganisationen spüren bereits die Reformpolitik. Birke Herzbruch, Länderrepräsentantin von Malteser International, sagt: »Die Behörden erleichtern langsam die Kooperation.«

Zur Unterstützung der Reformen in Myanmar haben die USA und die EU jüngst die Lockerung der Sanktionen angekündigt. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) kündigte nach seinem Besuch Mitte Februar an, das entwicklungspolitische Engagement »Zug um Zug mit den Fortschritten« ausbauen zu wollen. Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi habe ihm versichert, dass »die Entwicklungszusammenarbeit den Reformprozess verstärkt«.

Das Parlament berät derzeit den Haushalt. Im Budget sind mehr Mittel für die Gesundheitspolitik vorgesehen. Aber selbst wenn Myanmar sofort mit der Gesundheitsreform beginnen würde, werden Jahre vergehen, bis das Land über ein umfassendes Gesundheitssystem verfügt. Aidshilfe für Myanmar muss jedoch Soforthilfe sein. De Groote betont: »Wenn HIV- und TB-Behandlungsprogramme jetzt erweitert werden, können weitere Ansteckungen vermieden werden. Leben können gerettet und Geld gespart werden.«

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