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Voller Witz und Temperament

Gedenken an Hanns Eisler beim Berliner Festival Musik und Politik

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 3 Min.
Eisler mit Bläserdrive ...
Eisler mit Bläserdrive ...

Ganz besonderes Gewicht gab »Musik und Politik« diesmal dem Komponisten Hanns Eisler, dessen 50. Todestag am 6. September 2012 nicht nur Anlass für intensive Aufmerksamkeit, sondern Herausforderung zu schöpferischem Umgang mit seinem künstlerischen Erbe ist.

Von solchem Aufruf war jedenfalls beim jetzigen - wohl immer noch einzigartigen - Festival viel zu spüren. Da sprang manch »revolutionärer Funke« über, ein Elan, der heutige Empörung, heutiges Verlangen nach demokratischem Respekt der einfachen Leute in unteren Schichten zu entzünden schien. Das Solidaritätslied aus dem Film »Kuhle Wampe« von Brecht und Eisler aus dem Jahr 1931 ist mitreißend aktuell, wenn es von der inzwischen traditionsreichen »Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot« (gegründet 1986) mit geradezu umwerfendem Blechsound artikuliert wird.

Gemeinsames Wirken war denn auch für die Veranstalter (Lied und soziale Bewegungen e.V.) bindend: Die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft, der Verein »Helle Panke« oder die Rosa-Luxemburg-Stiftung zeichneten für aktive Beteiligung. Ein Programm mit Liedern und Lyrik von und zu HE, eine Ausstellung mit dem Titel »An Mut sparet nicht noch Mühe« und das voluminöse Abschlusskonzert kamen so zustande. Interpreten unterschiedlicher Couleur präsentierten hier gleichsam einen Querschnitt heutiger Eisler-Gestaltung. So die bereits erwähnte »Bolschewistischen Kurkapelle«. Das vorwiegend aus Blechbläsern bestehende Ensemble spielt Eisler in eigenen Bearbeitungen, die den hinreißenden Drive seiner Musik fesselnd rüberbringen. Dass dabei manches zu laut gerät, sollte reguliert werden. Denn Eisler ist nie laut, sondern auch im Forte beschwingt und elegant.

Verschiedenheit der Eisler-Interpretation war hier zugleich verbunden mit Vielfalt Eislerscher Kunst. Ganz ins Feine persönlicher Chansons wandte sich Stefan Körbel. Sich selbst sensibel auf der Gitarre begleitend, bot er Tuchol-sky- und Brecht-Vertonungen, darunter als besonderen Spaß ein Seemannslied: »Der Priem«. Und fast kabarettistisch bot das Duo Oliver Augst/Sven-Ake Johansson, sich gegenseitig per Schlagzeug oder Akkordeon verschmitzt begleitend, Eisler-Brecht-Songs wie das »Lied vom kleinen Wind« mit hintergründigem Humor.

Höchst eigenwertig gaben sich die Darbietungen nach der Pause. Voran die ganz vorzüglichen »Eisler-Ladies« Bettina Matt und Anne Voigt, beide Musikerinnen ersten Rangs, die mit spielerischer Eleganz und Klangopulenz in wunderbarem Zusammenspiel faszinierten. Und das, total ungewöhnlich, quasi auf einem Summarium an Instrumenten: von Flöte, Sopran- und Alt-Saxophon über Tenor- und Bariton- bis zum Bass-Saxophon reichend. Erstaunlich, dass Frauen solche Instrumentenkolosse wie diesen Sax-Bass bewältigen können. Bei einer Klezmer- oder Eisler-Suite nicht weniger als bei Chaplins »Lime light«-Song wie dem Boogie Woogie »In the mood«. Ein köstliches Musiziervergnügen.

In ganz anderer Weise, politisch aktuell, war der Komponist und Pianist Hermann Keller auf der Spur des Hanns Eisler. Sein dramatisches Klavier-Melodram »Was hat man dir, du armes Kind getan?«, von ihm selbst dargeboten, rückt den in letzter Zeit viel diskutierten sexuellen Kindesmissbrauch in ergreifender Schärfe klingend ins Bewusstsein: präparierte Klavierklänge, gesprochenes, auch geschrienes Wort, harte Akkorde und Rhythmen symbolisieren humanistische und politische Anklage.

Orchestrale Brillanz zum Schluss: Hannes Zerbes Jazzorchester gehört zweifellos zur Spitze unter vergleichbaren Ensembles. Vorwiegend Blechbläser, neben vereinzeltem Holz sowie Schlagwerk sind in professioneller Qualität zu musizierender Lust vereint. Locker und spritzig, gleichsam mit Eislerschem Witz geht es hier zu unter Zerbes inspirierender Leitung. Vor allem bei dessen »Eisleriana« begeistert klangüppiges und virtuoses Spiel, das sich bei Einzelleistungen zu musikantischen Gipfeln emporschwingt. Überwältigend ein Klarinetten-Solo, in rasendem Tempo improvisierend, dem Publikum fast den Atem verschlagend bei diesem souveränen Spiel mit und über Hanns Eisler.

Die »Eisleriade« darf wohl als Höhepunkt des diesjährigen Festivals »Musik und Politik« gewertet werden. Qualität von Programm und Spiel wie der zustimmende Beifall des den Saal füllende Publikum stehen dafür. Doch es gab auch beunruhigende Nachricht: An den Wänden des Saals las man vom »Notstand«: Die WABE, langjähriger Auftrittsort des Festivals, soll geschlossen werden. Ein unakzeptables Vorhaben der städtischen Bezirksverwaltung, das Protest verlangt.

Spatz Oki
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