Bäume fallen - Mieten steigen

Bürgerinitiative wehrt sich gegen Luxus-Sanierung im Barbarossa-Kiez

  • Klaus Teßmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Mehr bezahlbaren Wohnraum braucht die Stadt Berlin. 30 000 Wohnungen sollen die Wohnungsbaugesellschaften dazu erwerben oder neu bauen - so ein Versprechen der rot-schwarzen Koalitionsregierung. Doch die Realität sieht anders aus. Im Schöneberger Barbarossa-Kiez werden über 100 Wohnungen dem Profitstreben geopfert.

Das Mietshaus Barbarossastraße 59/60 bietet vor allem für Studenten und Singles günstigen Wohnraum für eine bezahlbare Miete. Es soll einem Luxusbau mit Eigentumswohnungen geopfert werden. In der vergangenen Woche wurde bereits die Grünfläche gerodet. 35 schöne große Bäume fielen der Kettensäge zum Opfer.

Seit September 2009 bemüht sich eine Bürgerinitiative darum, den Kahlschlag zu verhindern und eine Sanierung für das Wohnhaus durchzusetzen. Das Haus wurde 1964 im Aufbauprogramm für Berlin mit Steuermitteln gebaut. »Als die ersten Pläne bekannt wurden, das Haus abzureißen, haben sich die Mieter versammelt und wollten Widerstand leisten«, sagte Fred Skroblin von der Bürgerinitiative. »Seit Sommer 2008 wurde das Haus schon heimlich entmietet.« Aber immer mehr Mieter sind ausgezogen, haben Geld vom Investor HochTief angenommen. Fred Skroblin bedauert sehr, dass die Bürgerinitiative von der Bezirkspolitik allein gelassen wurde. Selbst die Grünen haben sich in den vergangenen Wochen nicht gerührt, als die 35 großen Bäume gerodet werden sollten. Vom einstmals schönen Park zwischen dem Alice-Salomon-Platz und dem Barbarossa-Platz sind nun nur noch einige Reste zu sehen. »Nur die Linkspartei hat unsere Bemühungen unterstützt«, sagt Skroblin.

In einer Erklärung hat die LINKE am Sonntag diesen Kahlschlag im Kiez verurteilt. Harald Gindra, Bezirksverordneter in Tempelhof-Schöneberg, protestiert gegen die unsinnige Abholzung von gesunden Bäumen. Der Investor HochTief »zerstört nun schon den Garten und gesunde Bäume, bevor klar ist, ob und wann ein Abriss möglich ist«. Auch in anderen Straßen werden die langjährigen Bewohner verdrängt.

Die Wohnungen eines weiteren Hauses in der Barbarossastraße sollen ebenfalls in Luxuswohnungen umgewandelt werden - nach dem Abriss soll diese neu gebaut werden. Skroblin bezeichnet es als Skandal, dass »hier bezahlbarer Wohnraum abgerissen wird und die Bahn frei gemacht wird für Luxuswohnungen in Schöneberg«. Skroblin befürchtet, dass damit die alte Sozialstruktur verändert wird. Der Bezirkspolitik wirft er vor, dass hier »ein Kahlschlag unter der sehr gemischten Bevölkerung vorgenommen wird«. Er erinnert daran, dass dieser Platz nach der Sozialpädagogin und Frauenrechtlerin Alice Salomon benannt wurde. Dieser Name sollte für die Bezirkspolitiker eine Verpflichtung sein, Wohnraum auch für Menschen zu erhalten, die weniger verdienen.

Nach dem Willen der Bezirkspolitik soll die »multikulturelle, ausgewogene Sozialstruktur« aber zerschlagen werden, heißt es. Im Umfeld sind schon einige Neubauprojekte realisiert worden. In anderen Straßen läuft ein ähnlicher Prozess - in der Winterfeldstraße, der Goltzstraße und am Volkspark. Dabei entstehen meist vier- bis acht- Zimmerwohnungen, deren Verkaufspreis bei etwa 3700 Euro und mehr pro Quadratmeter liegt.

In der Barbarossastraße 59/60 sind Bäume und Sträucher gefallen, damit wurde schon eine grüne Oase im Kiez vernichtet. Wenn das Haus wirklich abgerissen wird, soll unter dem Platz eine Tiefgarage gebaut werden. Der Neubau wird bis an den Alice-Salomon-Park angrenzen und damit die Grünanlage für Spaziergänger unattraktiv machen. Frank Skroblin befürchtet, dass im Falle des Neubauprojekts diese öffentliche Grünanlage mit Spielplatz und Bolzplatz verschwinden werden.

Den Kampf um die Grünfläche hat die Initiative verloren. Doch »wir geben nicht auf«, erklärt Frank Skroblin. »Wir werden uns weiter für eine Sanierung des Hauses einsetzen, damit die alte Mieterstruktur erhalten bleibt.«

E-Mail-Kontakt: Barbarossastr.59@gmx.de

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