Schwere Zeiten im Café Pause

In Sachsen droht ein Abbau von Arbeitsplätzen für psychisch Kranke

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsen hat im laufenden Etat einen Kahlschlag vor allem im Sozialbereich betrieben. Die Folgen werden immer deutlicher sichtbar - etwa bei Arbeitsstellen für kranke Menschen.

Im »Café Pause« sitzen drei Bauarbeiter bei Morgenkaffee und Zeitung. In der gläsernen Theke liegen appetitlich angerichtete belegte Brötchen. Vor der Tür aktualisiert eine Mitarbeiterin die Tageskarte für den Mittagstisch; Käsespätzle und Beefsteak werden zu verträglichen Preisen angeboten. Das Café, das sich unweit des Dresdener Arbeitsamtes befindet, ist für hungrige Besucher gewappnet.

Wer hier isst, sieht zunächst nicht, dass es sich um eine besondere Einrichtung handelt. Die Männer und Frauen, die in der Küche arbeiten, bedienen und kassieren, sind Menschen mit psychischen Erkrankungen. Sie wären den Anforderungen eines normalen Arbeitsalltags nicht gewachsen, sagt Hubertus Schreiber, Projektleiter des vom Chemnitzer Träger CoWerk gGmbH betriebenen Cafés. Dort werden sie dagegen intensiv betreut und können deshalb bis zu 15 Stunden in der Woche arbeiten. Der »Kreislauf von Krankheit, Klinik und Reha«, in dem viele Kranke steckten, »kann so durchbrochen werden«, sagt Schreiber.

Der Freistaat Sachsen hat - wie auch andere Bundesländer - diesen Effekt anerkannt und fördert die so genannten Zuverdienstfirmen, zu denen neben dem Dresdner Café auch eine Gärtnerei, Kantinen und Hausmeisterfirmen gehören. Sie erhalten, seit dem Jahr 2007 landesweit geregelt, vom Sozialministerium Zuschüsse, die den zusätzlichen Aufwand für die Betreuung decken sollen.

Zuschüsse gekürzt

Daneben, sagt Schreiber, »agieren wir am Markt«: Die Preise für Kaffee und Mittagessen sind nicht gestützt. Der Ansatz findet viel Lob: Kranke Menschen würden »zur Teilhabe befähigt«, hieß es 2009 in einer Studie der Freudenberg-Stiftung, und zwar nicht »in Sondereinrichtungen, sondern mitten im normalen Arbeitsleben«.

In Sachsen freilich ist die Euphorie weitgehend gewichen. Der Grund: Seit drei Jahren gehen die Zuschüsse stark zurück. War die Fördersumme bis 2009 auf 352 000 Euro gestiegen, so erhalten die zehn Zuverdienstfirmen, in denen psychische Kranke arbeiten, im laufenden Jahr nur noch 217 000 Euro - eine Kürzung von 40 Prozent. Als Folge gingen zunehmend Stellen verloren, warnt Lisa Ruffert, Vorstandschefin der LAG Integrationsfirmen. Einzelne Träger müssten sich von Angeboten für psychisch Kranke völlig verabschieden, weil die Fördergelder nicht mehr reichten, um wie bisher rund 30 Prozent der Kosten zu decken. Das Zwickauer Hilfe Zentrum, das Ruffert leitet, beschäftigt nur noch 13 statt 40 Zuverdiener. Im Café Pause spricht Schreiber von einem »Sterben auf Raten«. Obwohl er viele Bewerbungen erhalte, könne er niemanden mehr einstellen.

Verwundert sind die Träger über die Vernachlässigung durch das Land, nicht zuletzt weil der Freistaat sich eigentlich eine bessere Integration von Behinderten auf die Fahnen geschrieben hat. 2010 wurde eine Allianz »Arbeit + Behinderung« ins Leben gerufen; Christine Clauß, die CDU-Sozialministerin, appelliert an Firmen, mehr Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen einzustellen.

Zuverdienstfirmen spielten in der Allianz aber keine Rolle, sagt Andreas Oschika, Referent beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Dabei gehörten auch psychisch Kranke zur Zielgruppe - auch wenn sich viele der Menschen scheuten, sich formal als schwerbehindert anerkennen zu lassen. Das Land lässt offen, in welcher Form die Zuverdienstfirmen künftig gefördert werden. Zwar wird den Einrichtungen vom Sozialministerium bescheinigt, sie böten »die Möglichkeit behinderungsgerechter Arbeit und sinnvoller Beschäftigung«. Eine Evaluation soll derzeit aber klären, »ob die Angebote in ihrer bisherigen Form weiter betrieben und finanziert werden« oder ob es andere Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation gibt, sagt Sprecher Jürgen Vogels. Geprüft werde auch, ob die Finanzierung breiter verteilt werden könne.

Unklare Zukunft

Vor allem die Kommunen werden als »potenzielle Kostenträger« genannt. Bei den Trägern beobachtet man derartige Pläne mit Skepsis. Zu befürchten sei, dass dann nur noch einige Projekte weitergeführt, die anderen aber unter Verweis auf leere kommunale Kassen beendet werden, sagt Hubertus Schreiber im Café Pause. Es ist daher unklar, ob dessen Motto weiter gilt. Das ist im Fenster nachzulesen: »Die Pause, die jeder braucht.«

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