Fischsterben im Kreis Rotenburg

Gülle aus Biogasanlage verseucht Flüsse

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
In eines der ökologisch wertvollsten Gewässersysteme Niedersachsens sind Gülle und Gärungsreste aus einer Biogasanlage geflossen. Folge: ein erschreckendes Fischsterben im Kreis Rotenburg. Haben Behörden zu wenig Vorsorge getroffen, um dies zu verhindern? Die LINKE im Landtag will sich dieser Frage auf parlamentarischer Ebene widmen.

Unter Sportfischern und Naturfreunden gelten der Lünzener Bruchbach und die Veerse im Heidekreis und im Kreis Rotenburg zu jenen Fließgewässern, die sich durch besondere Artenvielfalt auszeichnen. Stark gefährdete Fische wie Meerforelle, Mühlkoppe, Flussneunauge und Elritze leben dort, auch Fischotter und Eisvogel haben an den idyllisch gelegenen kleinen Flüssen ihr Zuhause.

Beißender Gestank

Nun aber bot sich Spaziergängern alles andere als Idylle: Der sonst so klare Bruchbach war stark getrübt, auf dem Wasser trieben zahlreiche tote Fische, und in der Luft hing beißender Güllegestank, Folge einer intensiven Gewässerverschmutzung. Deren Ursache kam die Wasserbehörde des Kreises Rotenburg durch den Hinweis eines Fischereiexperten rasch auf die Spur: Aus einer Biogasanlage im benachbarten Heidekreis waren vermutlich infolge eines Pumpendefekts große Mengen Gülle und Gärungsreste ausgetreten.

Das stinkende, durch seinen Ammoniakgehalt für Fische tödliche Gemisch floss ungehindert über den Hof der Biogasanlage und durch einen Graben schließlich in den Bach und die Veerse. Wirksame Auffangvorrichtungen wie Bodenwälle oder ausreichend dimensionierte Sickergruben hätten den Schaden vermindern können, meint der Landessportfischerverband Niedersachsen. Solche Schutzanlagen seien aber »auf der Hofstelle augenscheinlich nicht vorhanden«. Der Verband will in diesem Zusammenhang rechtlich prüfen lassen, ob seitens des Anlagenbetreibers oder der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden gegen gesetzliche Auflagen zum Gewässerschutz verstoßen wurde.

Die örtlichen Angelvereine und der Sportfischerverband befürchten, dass das betroffene Gewässersystem nun auf einer Strecke von etwa 20 Kilometern ökologisch tot ist. Jahrelange Renaturierungs- und Hegearbeiten der Angelvereine und der Stiftung Naturschutz im Kreis Rotenburg wären damit zunichte gemacht.

Nun wird der Ausmaß des Schadens ermittelt, erklärte Rotenburgs Erster Kreisrat Torsten Lühring im »nd«-Gespräch. Möglicherweise werde strafrechtlich gegen den Betreiber der Biogasanlage vorgegangen. Aber auch zivilrechtliche Folgen drohen ihm: Er könnte die Behebung des Umweltschadens bezahlen müssen.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Hans-Henning Adler, hat das Fischsterben in Rotenburg zum Anlass für eine parlamentarische Anfrage an die Landesregierung genommen. Adler will genau wissen, wie es zu der Einleitung von Gülle und Gärungsresten gekommen ist. »Die Erklärung, dass es eine technische Panne in einer Biogasanlage gegeben hat, reicht nicht aus. Die Landesbehörden müssen mit ihrer Aufsicht sicherstellen, dass es auch bei solchen Defekten nicht zu Vergiftungen der Flüsse kommt.«

Aufsichtspersonal fehlt

Die Frage sei auch, so Adler, warum diese Biogasanlage angesichts der möglichen Gefahren für nahe gelegene Gewässer überhaupt genehmigt wurde. »Technische Pannen können immer vorkommen; der Skandal liegt in der mangelhaften Genehmigungspraxis oder der fehlenden Aufsicht«, betont der Linkspolitiker. Durch den Vorfall offenbare sich erneut, dass in den Aufsichtsbehörden Personal fehle. »Diese Behörden sind personell nicht in der Lage, Aufgaben wie den Gewässerschutz umfassend zu erfüllen.«

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