Dickes Ei in Rom

Kommentar von Ingolf Bossenz

  • Lesedauer: 2 Min.

Trotz seines Gewichts von 250 Kilogramm ist das von der Süßwarenindustrie im lombardischen Cremona gestiftete Schokoladen-Osterei derzeit nicht das dickste Ei im Vatikan. Das machte Papst Benedikt XVI. klar, als er am Gründonnerstag bei einer Messe im Petersdom vor rund 3000 Prälaten wider »eine Gruppe von Priestern in einem europäischen Land« wetterte. Gemeint war die Mitte 2011 in Erscheinung getretene österreichische »Pfarrer-Initiative«, die inzwischen auch auf andere Länder, so Deutschland, ausstrahlt. Die über 300 Priester und Diakone hatten ihre römische Zentrale mit einem Appell brüskiert, der den wenig diplomatischen Titel »Aufruf zum Ungehorsam« trägt. Darin finden sich all jene Ungeheuerlichkeiten, deren Realisierung zu verhindern Benedikt ebenso als seine Lebensaufgabe betrachtet, wie es sein Vorgänger aus Polen tat: das Abendmahl auch für wiederverheiratete Geschiedene und evangelische Christen, Predigterlaubnis für Laien, Ordination von Frauen, Aufhebung des Zwangszölibats für Priester.

Und Benedikt packte denn auch gleich den ganz großen Knüppel aus: Jesus Christus. Dem nämlich sei es »um den wahren Gehorsam, gegen die Eigenwilligkeit des Menschen« gegangen. Er habe »seinen Auftrag mit seinem eigenen Gehorsam und seiner Demut bis ans Kreuz hin konkretisiert«. Demut bis ans Kreuz? Wer die Abwehr längst mehrheitsfähiger, durchaus vernünftiger Reformen einer erstarrten Institution mit der Passion Christi begründet, neigt entweder zu Blasphemie oder ist am Ende seines Kirchenlateins angekommen. Das dicke Ei aus Austria wird jedenfalls auch lange nach Ostern nicht gegessen sein.

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