In guter Verfassung

Das märkische »Grundgesetz« wurde vor 20 Jahren im Landtag beschlossen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor exakt 20 Jahren, am 14. April 1992, stimmte das Brandenburger Landesparlament als erster ostdeutscher Landtag dem Entwurf einer Landesverfassung zu. Im Unterschied zu anderen neuen Ländern konnte sich in Brandenburg die damalige PDS als verfassungsgebende Kraft gleichberechtigt in den Prozess der Entstehung der Landesverfassung einbringen. So kam es, dass diese Partei in Brandenburg heute Verfassungspartei ist, während die CDU seinerzeit zu mehr als zwei Dritteln dem »brandenburgischen Grundgesetz« nicht zugestimmt hat und sich also so nicht bezeichnen kann.

LINKEN-Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser erklärte zum Jubiläum der als »modernste Landesverfassung Deutschlands« gepriesenen Landesverfassung, ihr Vorzug bestehe darin, »dass hier nicht nur Erfahrungen aus 40 Jahren alter Bundesrepublik eingeflossen seien, sondern auch Forderungen und Ziele, die im Herbst 1989 von Bürgerinnen und Bürgern der DDR in Auseinandersetzung mit der staatssozialistischen Praxis formuliert worden waren«.

Sie verwies auf Staatsziele wie das Recht auf Arbeit, auf Bildung oder auf soziale Sicherung, die Pflicht des Landes zum Schutz der Natur oder auch die weitreichenden Bestimmungen zu den politischen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Erst in jüngster Zeit, also unter der rot-roten Landesregierung, wurden der Zugang zu Volksinitiativen erleichtert und das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 herabgesetzt. Allerdings begleitete immer auch Kritik das Verfassungswerk, weil die von ihm verheißenen Rechte wie das auf Arbeit, Bildung oder soziale Sicherung eben nirgends einklagbar waren. Eine Untersuchung dazu, ob Brandenburg wegen seiner eigenwilligen Verfassung nach 20 Jahren nun ein anderes, gar besseres Land sei als andere Bundesländer, hat niemals stattgefunden.

Vor fünf Jahren noch verurteilte Kerstin Kaiser als Oppositionsführerin die Praxis der damaligen SPD-CDU-Regierung, viele Punkte der Verfassung unbeachtet zu lassen oder sie nur sehr zögerlich und inkonsequent umzusetzen. Das Land Brandenburg bleibe den Ansprüchen seiner eigenen Verfassung eine Menge schuldig, erklärte sie zum 15. Jahrestag des Verfassungsbeschlusses 2007. Das könne auch nicht anders sein, weil ein Regierungspartner damals in der Landesverfassung keineswegs einen Erfolg gesehen habe.

Kaiser erklärte sogar: »Innenminister Schönbohm verfolgt streckenweise politische Ziele, die sich mit der Landesverfassung nicht in Deckung bringen lassen.« Die CDU verweigerte sich 1992 mit großer Mehrheit einem Werk, das später mit einer 94 prozentigen Mehrheit vom brandenburgischen Staatsvolk gebilligt worden war. Kritisieren musste sie damals uneingelöste Verfassungsversprechen bei der Kita-Gesetzgebung, bei den Vorgaben zur Lernmittelfreiheit und zur Chancengleichheit.

Die rot-rote Landesregierung hat inzwischen mit dem Schüler-Bafög, dem günstigeren Kita-Betreuungsschlüssel und dem an Mindestlöhne gekoppelten Vergabegesetz wichtigen sozialen Verfassungsbestimmungen Leben eingehaucht. In Brandenburg seien wichtige Reformprojekte der EU nur mit langen Verzögerungen und im Kern abgeschwächt Gesetzeswirklichkeit geworden, kritisierte die Politikerin Kaiser im Jahr 2007. Das galt aus ihrer Sicht damals für das Sorbengesetz (1994), das Gleichstellungsgesetz (1994), das Lebenspartnerschaftsgesetz (2001), die in Landesrecht transformiert werden mussten, wie auch für das Behinderten-Gleichstellungsgesetz (2003).

Aus Anlass des 20. Jahrestages der Landesverfassung gestaltet die LINKEN-Landtagsfraktion gemeinsam mit der Linksfraktion im Deutschen Bundestag und der Linksfraktion im Hessischen Landtag am 23. Mai - dem Tag des Grundgesetzes - in Potsdam eine Konferenz. Sie steht unter dem Motto »Deutschland in bester Verfassung? Der Aufbruch von 1945 in Hessen und Brandenburg. Der Neubeginn in Potsdam vor 20 Jahren. Das Grundgesetz heute«.

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