Untoter Fritz

20 Jahre Stadttheater Cöpenick und 20 Jahre Kunstfabrik

  • Karin Schmidt-Feister
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem Schwank »Wie man sich eine Frau verschafft« eröffnete am 14. 2. 1889 das »Stadttheater Cöpenick« in Klein´s Hotel am Alten Markt erstmals seine Pforten. Boulevardtheater mit Amüsement lockte bis in die 50er Jahre Jung und Alt. Dann wurde das baufällige Gebäude abgerissen und mit ihm die Theatertradition. Die 90er Jahre brachten die Rückbesinnung auf Regionalgeschichte(n) und so wurde 1992 im traditionsreichen Festsaal des Köpenicker Rathauses die Wiedergeburt des Stadttheaters initiiert. Das Ensemble fand in der »Kunstfabrik Köpenick GmbH« sein Domizil. Mit Märchen und Puppenspiel für Kinder, Komödien und Kleinkunstprogrammen sowie den beliebten Sonntagsmatineen mit illustren Gästen wurde das »Stadttheater Cöpenick« zu einem beliebten Familientheater im Südosten Berlins. Über 120 000 Zuschauer besuchten seit der Aufnahme des regelmäßigen Spielbetriebes 1994 die 105 Eigenproduktionen auf der kleinen Bühne in der Friedrichshagener Straße 9.

Die Festveranstaltung zum 20. Geburtstag der »Kunstfabrik Köpenick« und der Wiedereröffnung des »Stadttheaters« führte Künstler, Zuschauer, Förderer und Lokalpolitiker zusammen. Die Gratulanten, unter ihnen der Bezirksbürgermeister Treptow-Köpenick Oliver Igel (SPD) und Gregor Gysi (der LINKE-Direktabgeordnete im Deutschen Bundestag für den Wahlkreis), betonten die Wichtigkeit dieser Kultur- und Theatereinrichtung und ermutigten alle Akteure in ihrem leidenschaftlichen Engagement auch gegenüber den politisch Verantwortlichen nicht nach zu lassen. Die »Kunstfabrik« bietet seit den 90er Jahren zielgruppenorientierte Projekte für die »Familie von nebenan« und das kleine Stadttheater lockt mit vielfältigen Inszenierungen Besucher bezirksübergreifend bis aus Brandenburg.

Mit der Uraufführung der poetischen Komödie »Die Himmelfahrt des Alten Fritz« haben das Autorenteam Andreas Flügge und Intendant André Nicke (bekannt durch 800 Folgen zeitgenössische Morgensatire »Friedrich II. und der Müller von Sanssouci« auf Antenne Brandenburg) einen überaus launigen Theaterspaß mit Tiefgang getextet. Die Causa »F2« blitzt neu auf. Der Tod hat seit 200 Jahren seine Not, Friedrich II. die Pforten zur Hölle oder zum Paradies zu öffnen, denn der Alte lässt sich nicht auf Gutmensch oder Bösewicht festlegen. So beordert der findige Gevatter Schwester Wilhelmine aus dem Himmelreich hernieder. Sie möge Klarheit schaffen.

Vergnügliche und hintersinnige Dispute bieten Ohren- und Augenspaß für ein spielfreudiges Trio rhetorisch gewandter Mimen: Kiesel Köhler agiert als wandlungsfähiger Tod, besonders zu Hochform auflebend in der chemischen Analyse von Hölle und Himmel, als Spielmeister in der Stadthalle Sanssouci und hündischer Voltaire im Schlagabtausch über das Böse als Triebkraft des Guten. Andreas Kruse ist ein knorrig parlierender Fritz - als Unsterblicher, entstiegen der Sargkiste vor geschlossenen Toren zum Himmel mit Goldengeln, schwadroniert er über seine Zeit und die schnöde Gegenwart. Majestät gefällt sich in Selbstanklagen. Ein Zerrissener, der unter seiner fortschreitenden Demaskierung durch seine Lieblingsschwester leidet. Engelsgleich ist Wilhelmine (Sabine Matthes) dem Bruder zu Hilfe gekommen. Sie rät dem Alten zum Widerruf, lädt ihn zum Schach mit anderen »Unsterblichen« und trällert Arien-Paraphrasen.

Regisseur André Nickes poetische und temporeiche Inszenierung mit Schattenspielen und assoziativen Musik-Zitaten treibt das ungleiche Trio im fantasievollen Mini-Bühnenraum (Jan Hoffmann) in einen Parforceritt, in dem der Tod als warnender Mittler zum Publikum - dem Jüngsten Gericht - agiert.

Der Alte Fritz ist überall. Seine originelle Himmelfahrt in Köpenick ist eine gelungene Komödie - keine freundliche Pflichterfüllung zum Friedrich Jahr!

Wieder am 10., 16. Juni, 20 Uhr

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