Meister der Deutschen Meister

Die Handballer des THW Kiel vollenden als erste deutsche Profimannschaft die perfekte Saison

  • Erik Eggers, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die ersten, die sich per Autokorso dem Rathaus Kiels näherten, waren Kapitän Marcus Ahlm und Filip Jicha. Viele Fans am Straßenrand streichelten die goldene Trophäe, die der THW Kiel vor acht Tagen in der Champions League gewonnen hatte und die Ahlm ihnen nun entgegenstreckte, als sei es etwas Heiliges. Alle Handballprofis trugen, als sie sich den Weg durch die jubelnde Menge bahnten, einen Fliegeroverall. »Überflieger«, stand drauf. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir das geschafft haben«, sagte Trainer Alfred Gislason.

Schon vor dem Schlusspfiff zum 39:29-Sieg am letzten Spieltag gegen den VfL Gummersbach, als sich die Kieler mit vielen technischen Tricks erneut als Harlem Globetrotters des Handballs präsentiert hatten, musste Gislason immer wieder den Kopf schütteln. 34 Siege in 34 Spielen - diesen Rekord hatten viele Experten in der womöglich besten Liga der Welt für unmöglich gehalten. »Das kann niemand mehr übertreffen«, sagte Gislason. »Das ist eine Sensation«, jubelte Linkshänder Kim Andersson, der als bester Spieler der Saison ausgezeichnet wurde. Zumal die perfekte Saison in der Bundesliga noch mit Titeln im DHB-Pokal und in der Champions League veredelt worden war.

57 Pflichtspiele hat der Rekordmeister in dieser Saison bestritten. National gab es nur Siege. Allein in der Champions League leistete sich der THW gegen Montpellier eine Heimniederlage (23:24) und drei Remis. »Es ist eine enorme mentale Belastung, alle drei Tage ein Spiel zu bestreiten«, sagt Gislason. Der Trainer hat kürzlich berichtet, wie sehr der Stress physisch und psychisch an den Körpern nagt.

Für einen Partymarathon freilich reichten die Ressourcen noch aus. Nach dem Korso ließen sich die Heroen von 20 000 Fans auf dem Balkon des Rathauses und einer Musikbühne feiern. Nach der folgenden Privatparty beim Italiener wurde die Saison am Sonntag traditionell mit einem Brunch im Biergarten beschlossen. Auch das Zusammenspiel mit den Fans grenzt an Perfektion. »Das sind keine Legionäre, diese Handballer nehmen die Fans und die Stadt in die Arme«, lobte der zukünftige Ministerpräsident Torsten Albig ziemlich blumig. »Das ist Liebe.«

Nicht nur deutsche THW-Profis wie Dominik Klein oder Christian Zeitz wissen die Fachkenntnis der Kieler Fans zu schätzen, noch mehr die Spieler aus Tschechien (Filip Jicha), Serbien (Momir Ilic), Schweden (Henrik Lundström, Marcus Ahlm, Andreas Palicka), Frankreich (Thierry Omeyer, Daniel Narcisse) oder Island (Aron Palmarsson). In Kiel wird Handball seit den Zeiten gelebt, als der THW 1948 (Feld) und 1957 (Halle) erste nationale Titel gewann.

Inklusive Andersson und Lundström verlassen fünf Profis diese außergewöhnliche Mannschaft. »Dieser Tag ist für uns auch traurig«, sagte Jicha. Seine Tochter könne nun nicht mehr mit Lundströms Nachwuchs spielen.

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