Genossenschaft unerwünscht

Öko-Textil-Versand Hessnatur an Private-Equity-Fonds verkauft

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Überraschend hat das Besitzerkonsortium von Hessnatur den Naturmodehersteller an den Schweizer Fonds Capvis verkauft.

Der Naturmodehersteller Hessnatur soll vom Schweizer Finanzinvestor Capvis übernommen werden. Bei Mitarbeitern und Kunden sorgt diese Meldung für Empörung. Dabei schienen sie vor wenigen Tagen noch am Ziel eines monatelangen Kampfes zu sein: »Die hnGeno eG, die Genossenschaft zur Weiterführung von Hessnatur, plant gemeinsam mit der Deutschen Industrie-Holding (DIH) das Naturmodeunternehmen zu erwerben, das Geschäft weiterzuführen und weiter zu entwickeln. Ein entsprechender Konsortialvertrag wurde bereits notariell beurkundet«, heißt es in einer Pressemitteilung vom 31. Mai.

Dass Beschäftigte »ihre« Firma nicht an jeden Investor verkaufen lassen wollen, ist selten und hat eine Vorgeschichte: Im Dezember 2010 war bekannt geworden, dass Hessnatur an den Rüstungsinvestor und Private-Equity-Fonds Carlyle verkauft werden sollte. Viele Kunden und Mitarbeiter lehnten diesen Deal ab. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac organisierte unter dem Motto »Hessnatur in die Hände von Kunden und Belegschaft« eine bundesweite Kampagne. In der ersten Runde setzten sich die Kritiker durch. Nachdem Tausende einen Boykottaufruf unterzeichnet hatten, zog sich Carlyle zurück.

Der Erfolg war für die Kritiker Ansporn, mit der Genossenschaft eine Alternative zu kreieren, die auch über Hessnatur hinaus ausstrahlen könnte. Hierin dürfte auch der Grund liegen, dass der Verkäufer KarstadtQuelle Mitarbeitertrust (KQMT), der in Hessnatur in erster Linie eine Finanzierungsquelle für die Rentenansprüche des in Konkurs gegangenen Unternehmens sieht, nicht an die Genossenschaft verkaufen will, sondern jetzt das Angebot des Fonds Capvis annahm. Finanzielle Gründe können es nicht gewesen sein: Die Genossenschaft habe die gleiche Summe wie Capvis geboten und die Rentensprüche seien garantiert gewesen, betont Jutta Sundermann vom Attac-Koordinierungsrat gegenüber »nd«.

Auch Giuliana Giorgi von der Kampagne »Betriebe in Belegschaftshand / Netzwerk Solidarische Ökonomie« sieht in der Nichtberücksichtigung des Genossenschaftsangebots den Versuch, ein Modell zu verhindern, in dem Beschäftigte und Mitarbeiter selbst aktiv werden. »Ich finde es unglaublich, dass der KQMT nicht zur Kenntnis nimmt, dass sich Beschäftigte und Mitarbeiter zusammengeschlossen haben, um die Firma Hessnatur mit ihrem bisherigen Profil zu retten«, so Giorgi. Sollte der Verkauf an Capvis nicht gestoppt werden, könnten viele Kunden die Firma demnächst boykottieren, so ihre Befürchtung. In einem Dilemma befinden sich dann die Mitarbeiter, die um ihre Jobs fürchten müssten.

Sundermann kritisierte in einer Pressemitteilung, der Verkauf an einen reinen Finanzinvestor wie Capvis stehe im Widerspruch zum sozialen und ökologischen Unternehmensmodel von Hessnatur. Die Gefahr eines baldigen Weiterverkaufs - auch an Rüstungsprofiteure wie Carlyle - sei sehr groß.

Trotz der Lektion in fehlender Wirtschaftsdemokratie, die der KQMT erteilt hat, will die hnGeno nicht aufgegeben. Schließlich ist der Kaufvertrag mit Capvis noch nicht endgültig abgeschlossen. Die Genossenschaft versucht sich nun weiterhin als attraktiver Mitbieter zu präsentieren. Das ist wiederum ein Dilemma für Organisationen wie Attac, die deshalb bisher nicht zu Protesten gegen den Blitzverkauf aufgerufen haben. Denn noch gibt es die Hoffnung, dass die Genossenschaft zum Zuge kommt, wenn sie ihr Eigenkapital erhöht.

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