»Wadenpisser und -beißer«

40 Jahre »tip«-Magazin

  • Lesedauer: 2 Min.
Das Berliner Stadtmagazin »tip« bietet jetzt eine nostalgische Rückschau auf vier Jahrzehnte Berliner Kulturtrubel. Anlass ist das 40-jährige Bestehen des Blattes.

»Es gibt eine Legion von heruntergekommenen Literaturkritikern, ich nenne mal den Karasek«, schimpfte schon in den 70er Jahren der heutige Literaturnobelpreisträger Günter Grass in einem seiner zahlreichen Interviews. Damals war es ein Gespräch mit dem Berliner Stadtmagazin »tip«, das aus Anlass seines 40-jährigen Bestehens jetzt eine oft amüsante Rückschau auf vier Jahrzehnte kulturelle Aufreger, Flops und Streitgespräche in der »Halbstadt« West-Berlin und der späteren Bundeshauptstadt hält. Die Kritiker waren für Grass, der gerade seinen »Butt« veröffentlicht hatte, »runtergekommen zu einer Legion von Wadenbeißern und Wadenpissern«.

Aber auch die Berlinale-Leiter konnten ihr garstiges Kritiker-Lied singen. Der kurzzeitige Festivalleiter Wolf Donner (von Haus aus selbst Filmkritiker) rümpfte die Nase gleich über die gesamte (damals West-)Berliner Presselandschaft, die unter einem »ziemlich mickrigen Niveau« leide. Außerdem sei Berlin sowieso noch keine Filmstadt. »Was hier völlig fehlt, ist das Bewusstsein, dass Filmstadt zunächst einmal Frage eines Klimas wäre, eines Filmklimas, eines Filmbewusstseins, einer Filmkultur.«

Und das erste Filmfestival unter der neuen Leitung von Moritz de Hadeln und Ulrich Gregor 1980 wertete das Stadtmagazin als »Pleiten-Berlinale«. De Hadeln leitete das Festival dennoch bis 2001. Seinen Nachfolger Dieter Kosslick sah das Stadtmagazin 2002 zunächst einmal in »Fettnäpfchen ohne Ende«. Sein Deutsch sei zugegebenermaßen besser als das von de Hadeln, »aber damit hat es sich denn auch«. Aber vielleicht sei das auch ein Signal an den Berliner Senat: »Don't worry! Be peinlich! Wowereit, übernehmen Sie!«

Über den Anfang Juni 1982 früh verstorbenen Filmemacher Rainer Werner Fassbinder, der auf der Berlinale einen Goldenen Bären gewann und den heute viele als den bedeutendsten deutschen Filmregisseur der Bundesrepublik ansehen, mäkelte das Stadtmagazin: »Warum zerbrechen sich intelligente Menschen über diesen vielgerühmten Tausendsassa des bundesdeutschen Films den Kopf? ...Dem Fassbinder geht ja auch mal die Puste aus.«

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