Alles liegt in Assads Hand

Wissenschaftler Mohammad al-Habash appelliert an seinen Präsidenten

  • Lesedauer: 4 Min.
Dr. Mohammad al-Habash (49) ist Leiter des Islamischen Studienzentrums in Damaskus. Für zwei Legislaturperioden war er als unabhängiger Abgeordneter im syrischen Parlament. Mit Gleichgesinnten gründete er im Jahr 2011 die Bewegung »Der Dritte Weg« mit dem Ziel, zwischen Regierung und Aufständischen zu vermitteln. Mit dem Damaszener Wissenschaftler sprachfür nd Karin Leukefeld.
Dr. Mohammad al-Habash (49)
Dr. Mohammad al-Habash (49)

nd: Die UN-Mission, die ein Teil des Sechs-Punkte-Plans in Syrien ist, hat ihre Tätigkeit bis auf Weiteres eingestellt. Ist der Plan gescheitert?
al-Habash: Unglücklicherweise hat die Initiative von Kofi Annan bisher ihr Ziel nicht erreicht. Es ist allgemein bekannt, dass das Regime eine sehr harte Haltung gegen diese Initiative eingenommen hat. Ja, das Regime hat erklärt, alle Punkte akzeptiert zu haben, aber tatsächlich gibt es keine Ergebnisse.

Die UN-Beobachter sagen, weder die Regierung noch die bewaffneten Aufständischen würden kooperieren.
Gut, die UN-Beobachter sagen, beide Seiten trügen Schuld. Aber wir können der Regierung und der Opposition nicht die gleiche Verantwortung zuschreiben. Denn die schweren Waffen sind in den Händen der Regierung. Sie hat keine Anstalten unternommen, die Armee aus den Wohngebieten abzuziehen und in die Kasernen zurückzubeordern. Darum bin ich der Ansicht, dass das Regime die volle Verantwortung trägt.

Die Regierung sagt, sie bekämpfe terroristische Gruppen. Sie suche das Gespräch mit der Opposition, aber es gebe Angriffe von bewaffneten Gruppen, die sie abwehren müsse.
Nein, ich kann diese Haltung nicht akzeptieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den ersten sechs Monaten der Revolution einzig und allein die Regierungskräfte Waffen hatten. Erst nach sechs Monaten hat die Revolution zu den Waffen gegriffen, unglücklicherweise. Ich will hier ganz klar machen, dass ich gegen jede Art von bewaffnetem Kampf bin, ob von der Regierung oder von der anderen Seite. Ja, es ist richtig, es gibt bewaffnete Gruppen in Syrien, und noch einmal, ich kann das nicht akzeptieren. Aber ich kann nicht beide Seiten gleichermaßen verantwortlich machen. Die Regierung trägt die volle Verantwortung für die Gewalt.

Wie kann es nun mit der UN-Beobachtermission in Syrien weitergehen?
Offen gesagt brauchen wir keine Beobachter, wir brauchen jemanden, der den Frieden in Syrien sichert. Wir brauchen eine Gruppe, die die Zivilisten schützt, bestimmte Gebiete zu »waffenfreien Zonen« erklärt und diese Gebiete unter den Schutz der Vereinten Nationen stellt. Das kann den Syrern vielleicht helfen, Beobachter reichen nicht.

Was ist Ihre Position als »Der Dritte Weg«?
Bisher hat unsere politische Position bei der Regierung keinen Gefallen gefunden. Der Präsident hat selber gesagt, dass wir in Syrien keinen »Dritten Weg« brauchen. Er hat gesagt, entweder seid ihr für uns oder für die »Terroristen«.

Sie haben Ihre Arbeit in Syrien eingestellt?
Es gibt in Syrien und außerhalb Interesse an unserer Arbeit, darum versuchen wir weiterzumachen. Ich bin nicht auf der Seite des Regimes, und ich bin nicht auf der Seite der Terroristen. Ich spreche für die schweigende Mehrheit in Syrien, die weder das Regime stürzen will noch mit der Gewalt einverstanden ist, die das Regime - und andere Gruppen - ausüben. Wir wollen ein neues Syrien, ohne Gewalt.

Was muss geschehen, damit eine friedliche Veränderung in Syrien möglich ist?
Als jemand, der als Abgeordneter neun Jahre lang mit ihm zusammengearbeitet hat, möchte ich insbesondere unseren Präsidenten Baschar al-Assad ansprechen: »Herr Präsident, Sie können in dieser Situation nicht Präsident bleiben. Ändern Sie Ihre Haltung. Sie müssen verstehen, dass es eine Revolution in Syrien gibt, und Sie müssen mit Ihrem und für Ihr Volk den besten Weg für eine Zukunft finden. Die Revolution wird nicht aufhören, sie wird sich verschärfen, die Lage wird immer schwieriger werden. Es gibt nur eine Person, die Syrien heute helfen und das Morden stoppen kann, und das ist Baschar al-Assad.« Er hat eine große Verantwortung. Er muss sich an sein Volk wenden und sagen: Ich trete zurück. Helft mir, einen Weg und eine neue politische Führung für Syrien zu finden, weil ich so nicht weitermachen kann.


UN-Beobachter bleiben

In der Nacht von Dienstag zu Mittwoch teilte der Chef der Blauhelmeinsätze der Vereinten Nationen, Hervé Ladsous, mit: Die UN-Beobachter in Syrien sollen trotz der Zunahme der Gewalt vorerst in dem arabischen Land bleiben. Patrouillen fänden aber derzeit nicht statt.

»Im Moment haben wir entschieden, die Mission und ihr Mandat nicht zu verändern - ihre Aktivitäten bleiben aber ausgesetzt«, sagte Ladsous. Er erinnerte daran, dass das aktuelle Mandat des UN-Sicherheitsrates für die Beobachter am 20. Juli ausläuft. »Also müssen wir sehr schnell darüber nachdenken, was unsere Optionen für die Zukunft sind.«

Die russische Reederei Femco hat britische Vorwürfe über illegale Waffenlieferungen an Syrien zurückgewiesen. Berichte über »illegale Handlungen« ihres Schiffes »Alaed« seien falsch, teilte die Reederei am Mittwoch mit. Das Schiff sei derzeit »in vollständiger Übereinstimmung mit den internationalen Normen und Regeln« auf einer Handelsfahrt unterwegs.

AFP/nd

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