nd-aktuell.de / 22.06.2012 / Sport / Seite 18

Keine Gedanken verschwenden

Heute trifft die DFB-Mannschaft im Viertelfinale auf Griechenland, eine Niederlage wird ausgeschlossen

Jirka Grahl
Um 20.45 Uhr wird es ernst für die die deutschen Fußballer. Vor dem Viertelfinalspiel gegen den Favoritenschreck Griechenland in Gdansk wollen die Spieler von Bundestrainer Joachim Löw keinen Gedanken an eine Niederlage verschwenden. Warum auch? Drei Siege in der Vorrunde geben den DFB-Spielern Sicherheit.

Was sie sich da wohl gedacht hat? Angela Merkel wird heute Abend in der PGE-Arena sitzen, wenn es auf dem Weg in das Warschauer Halbfinale gegen Griechenland geht. Nachdem sich die Kanzlerin bei den drei Spielen in der Ukraine rar gemacht hatte, wird sie nun erstmals bei dieser EM den deutschen Fußballern vor Ort die Daumen drücken und womöglich mit eigenen Augen ansehen, wie die Deutschen die Griechen aus der EURO werfen. Oder?

Ein Ausscheiden ist in den Denkmodellen der deutschen EM-Delegation in keiner Weise vorgesehen, außer vielleicht bei den Reiseplanern, die laut Worst-case-Szenario die Rückflüge buchen müssten. Samstagnachmittag ab Gdansk Lech Walesa Airport.

Doch vielleicht ist auch die Anwesenheit der Kanzlerin ein sympathisches, paneuropäisches Anzeichen des Zweifels, in diesem Land des Hochmutes, dass sich da schon im Halbfinale wähnt? Vielleicht will die EURO-Fanatikerin deshalb lieber schon zum Viertelfinale, will lieber auf Nummer sicher gehen: Man kann ja nie wissen, bei diesen Griechen.

Die Spieler indes strotzen vor Selbstsicherheit. »Wir haben einen Erfolgsgedanken im Team, darin kommt Ausscheiden nicht vor«, ließ Thomas Müller verlauten, der Münchener WM-Torschützenkönig, der derzeit im DFB-Trikot nicht mehr trifft: 446 Minuten schon wartet er auf einen Treffer, dennoch darf mit seinem Einsatz heute Abend sicher gerechnet werden.

Bastian Schweinsteiger, der stellvertretende Kapitän, formuliert kaum weniger zurückhaltend: »Wir wissen aber, dass es nur an uns liegt, ob wir gewinnen oder nicht. Wenn wir unsere Stärken einbringen, werden wir die Griechen schlagen.« Auch Sami Khedira ist anscheinend unbeirrt: »Uns in die Knie zwingen, das werden die Griechen definitiv nicht schaffen.«

Ob Bundestrainer Joachim Löw auf die bisherige Formation vertraut, die mit eher unspektakulären Mitteln die drei Vorrundensiege erreichen konnte? Kommt Jerome Boateng nach seiner Sperre wieder zum Einsatz oder spielt Lars Bender? Interessant ist auch die Position des Mittelstürmers: Wäre nicht Miroslav Klose eine Alternative gegenüber Mario Gomez, für dessen raumgreifendes Spiel die Griechen womöglich nicht genug Rasenfläche freilassen? Und wie wäre es mal mit Marco Reus oder Mario Götze als Ideengebern im Mittelfeld? Darf Toni Kroos womöglich mal von Beginn an ran?

Andererseits: So eine eingespielte, sattelfeste Elf löst kein Trainer gerne auf. Auch Bundestrainer Joachim Löw nicht, bei dem es angeblich keine Stammspieler gibt im Laufe eines langen Turniers. Und die Zeichen stehen nicht gerade auf Wechsel: »Die Vorstellung und Philosophie, nach vorne zu spielen, bleibt unverändert«, so erklärte es der Bundestrainer vorgestern. Was wohl am ehesten für eine Aufstellung à la Lwiw bzw. Charkow spricht.

Noch nie hat eine DFB-Elf ein Länderspiel gegen Griechenland verloren, eben so wenig ein EM-Viertelfinale, vier waren es bisher immerhin. Die Griechen haben einen ähnlichen blütenreinen Viertelfinalrekord, allerdings erreichten sie die Runde der letzten Acht nur ein einziges Mal: 2004, in jenem Jahr also, in dem sie auf so wundersame Weise Europameister wurden.