Eine Pflege-Vorsorge ohne Gesundheitsprüfung

Fragen & Antworten zur privaten Pflege-Zusatzversicherung, die 2013 in Kraft treten soll

  • Lesedauer: 5 Min.
Die Bundesregierung hat Anfang Juni den Weg frei gemacht für die umstrittene kapitaldeckende freiwillige Pflege-Zusatzversicherung. Hintergrund ist, dass die an der Riester-Rente angelehnte Förderung nach dem Willen der Bundesregierung angesichts zunehmenden Pflegerisikos Anreize für mehr Eigenvorsorge geben soll. Nachfolgend Fragen & Antworten zum »Pflege-Rieser«, wie diese Zusatzversicherung nunmehr auch genannt wird.

Wer bekommt den Zuschuss, und wie hoch ist er?
Den Zuschuss von monatlich fünf Euro ab 2013 soll bekommen, wer zusätzlich zur gesetzlichen Pflichtversicherung für den Pflegefall vorsorgt. Dann gibt es als Anreiz vom Staat im Jahr 60 Euro dazu, und zwar unabhängig vom Einkommen. Die Zusatzversicherung soll die Lücke zwischen den tatsächlichen Pflegekosten und den deutlich niedrigeren Geldleistungen der gesetzlichen Versicherung schließen.

Unter welchen Voraussetzungen zahlt der Staat den Zuschuss?
Die Zulage von jährlich 60 Euro wird nur dann gezahlt, wenn der Beitrag für die Police bei mindestens 120 Euro pro Jahr liegt und der Vertrag eine spätere Leistung von wenigstens 600 Euro monatlich in Pflegestufe III vorsieht.

Welche Bedingungen gibt es für den Abschluss dieser Zusatzversicherung?
Abschließen können eine solche staatlich geförderte Police sowohl gesetzlich als auch privat Versicherte. Eine Altersbeschränkung ist nicht vorgesehen. Versicherer dürfen keinen Bewerber ablehnen und keine Gesundheitsprüfung verlangen. Allerdings soll es dem Vernehmen nach eine fünfjährige Karenzzeit geben. Leistungen werden also erst nach dieser Zeit erbracht. Vorgesehen ist ein monatlicher Mindestbeitrag von zehn Euro.

Wo ist die Förderung zu beantragen?
Der Antrag wird bei dem Versicherungsunternehmen gestellt, mit dem der Vertrag geschlossen wurde.

Dürfen die Versicherer eine Gesundheitsprüfung verlangen?
Nein. Die Versicherer dürfen niemanden wegen Vorerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes oder Bluthochdruck ablehnen. Sie dürfen auch keine Risikozuschläge erheben oder Leistungen ausschließen.

Worauf ist beim Abschluss einer Zusatzversicherung zu achten?
Verbraucherexperten empfehlen Tarife, die für alle drei Pflegestufen gelten. Zudem sollten die Policen auch Zahlungen bei Demenz einschließen.

Was passiert, wenn man die Beiträge nicht mehr zahlen kann?
Wenn ein Versicherungsnehmer zum Beispiel arbeitslos wird und die Beiträge nicht mehr zahlen kann, ist vorgesehen, dass er den Vertrag mindestens drei Jahre ruhen lassen kann. Während dieser Zeit gilt allerdings kein Versicherungsschutz.

Wie wird mit Altverträgen verfahren?
Das ist noch unklar. Bislang haben schätzungsweise rund 1,9 Millionen Menschen eine private Pflege-Zusatzversicherung abgeschlossen.

Was passiert, wenn ich keine private Zusatzversicherung habe?
Werden zum Beispiel die Eltern pflegebedürftig und reichen die Zahlungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, dem Einkommen und Vermögen nicht aus, dann springt zunächst das Sozialamt ein. Die Behörde versucht dann aber, das Geld für den Pflegebedürftigen bei den Kindern einzutreiben. Für die Kinder, aber auch für den Ehepartner eines Pflegebedürftigen gilt ein Mindestselbstbehalt. Sie dürfen also eine bestimmte Summe für sich behalten.

Warum ist eine solche Pflegeversicherung grundsätzlich notwendig?
Pflegebedürftigkeit wird zunehmend zum Problem, weil immer mehr Menschen immer älter werden. So nahm die Zahl derer, die sich allein nicht mehr helfen konnten, zwischen 1999 und 2009 um 16 Prozent auf 2,34 Millionen zu. Experten erwarten, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf 3,4 Millionen steigt. Die Pflegeversicherung wurde 1995 als Pflichtversicherung eingeführt. Die Beiträge entrichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte.

Warum sollen Bürger zusätzlich bei der Pflege vorsorgen?
Die gesetzliche Pflegeversicherung deckt wie eine Teilkasko die Kosten nur zum Teil ab. Der größere Rest bleibt an den Betroffenen hängen. Derzeit gibt es für die häusliche Pflege 450 Euro in Pflegestufe 1, 1100 Euro in Stufe 2 und 1550 Euro in Stufe 3. In dieser letzten Stufe würde ein Heimplatz für Pflegebedürftige in der Regel aber mehr als 3000 Euro im Monat kosten.

Was kostet eine private Pflegevorsorge?
Das hängt vom Alter und vom Geschlecht ab. Wer alle drei Pflegestufen absichern will, zahlt als Mann in den Altersstufen 25/35/45 Jahre monatlich derzeit etwa 11, 18 oder 29 Euro. Für 50-Jährige sind es bereits knapp 37 Euro. Für Frauen liegen die Beträge in den vorgenannten Altersstufen bei 17, 27 und 44 Euro, für 50-Jährige bei 57 Euro im Monat. Billiger wird es nächstes Jahr für Frauen mit Inkrafttreten der neuen sogenannten Unisextarife. Im Gegenzug müssen Männer dann aber höhere Beiträge zahlen.

Was ist mit der schon bestehenden Pflege-Tagegeldversicherung?
Sie zahlt im Pflegefall pro Tag einen vereinbarten Geldbetrag, zum Beispiel 50 Euro. Der Kunde kann frei darüber verfügen, ohne die tatsächlichen Pflegekosten nachweisen zu müssen. Eine gute Pflege-Tagegeldversicherung kostet laut Stiftung Warentest für einen 45-jährigen Mann monatlich 40 Euro und für eine gleichaltrige Frau 55 Euro. Ein 55-jähriger Mann muss schon 55 Euro im Monat berappen, eine gleichaltrige Frau etwa 70 Euro. Aber auch hier gelten ab 2013 die schon oben erwähnten Unisextarife, wonach die Frauen weniger, die Männer aber mehr zahlen.

Wie viel Geld steht seitens des Staates für die Förderung dieser Pflege-Vorsorge zur Verfügung?
Eingeplant sind für 2013 rund 100 Millionen Euro. Bei dieser Obergrenze soll es bleiben. Das Geld reicht rein rechnerisch für die Förderung von 1,67 Millionen Policen. Fraglich ist, ob die derzeit schon abgeschlossenen gut 1,9 Millionen privaten Pflegepolicen in die Förderung einbezogen werden.

Reichen die Mittel aus dem Bundeshaushalt?
Das wird die Nachfrage zeigen. Würden acht Millionen Bürger mitmachen, wären 480 Millionen Euro an Fördergeldern fällig. Bei 15 Millionen Verträgen - so viele Policen gibt es derzeit für die als Vorbild dienende Riester-Rente - wären es 900 Millionen Euro, die der Staat zuschießen müsste. Die Vorgabe, keinen Bewerber ablehnen zu dürfen, könnte die Prämien also deutlich in die Höhe treiben.

Was sagen Kritiker zur neuen Pflege-Zusatzversicherung?
Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren die private Pflege-Zusatzversicherung als Klientelpolitik zugunsten der Versicherungswirtschaft. Geringverdiener könnten sich eine private Zusatzversicherung gar nicht leisten. Die Kritiker fordern, das zunehmende Pflegerisiko durch höhere Beiträge zur solidarischen Pflegeversicherung abzudecken. Im staatlichen Zuschuss sehen sie eine Vergeudung von Steuergeldern.

Wann soll die Neuregelung überhaupt in Kraft treten?
Der vorliegende Gesetzentwurf soll im Eilverfahren bis zur Anfang Juli beginnenden Sommerpause über die parlamentarischen Hürden gebracht werden. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Neuregelung im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Sie soll Anfang 2013 in Kraft treten. dpa/AFP/nd

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