Wink mit der Privatpolice

Umstrittene Pflegereform der Bundesregierung fördert vor allem Versicherungsunternehmen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundestag beschloss am Freitag mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP die umstrittene Pflegereform. Sie soll Mittel für Demenzkranke freimachen und die pflegenden Angehörigen unterstützen. Seitens der Opposition wurde das Gesetz als unsozial und unterfinanziert heftig kritisiert.

Ab 2013 wird der Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung von derzeit 1,95 Prozent auf 2,05 Prozent angehoben. Die zusätzlich eingenommenen 3,54 Milliarden Euro sollen ab 2013 auch für Versicherte ohne Pflegestufe mit »erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz« genutzt werden, die ein Pflegegeld von 120 Euro monatlich oder Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro erhalten können. Laut Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bekommen damit rund 500 000 Demenzkranke erstmals Leistungen. Aufgestockt werden auch die Zahlungen für demente Menschen, die mit den Pflegestufen I oder II zu Hause leben.

Zu den umstrittensten Punkten der Reform gehört die private Pflegezusatzversicherung. Hier soll künftig ein Abschluss mit fünf Euro im Monat gefördert werden, die Versicherten selbst müssen dazu aber mindestens zehn Euro einzahlen. Noch stehen Angebote der Versicherer aus, welche Risiken mit einer solchen Police überhaupt abgedeckt sind. Schon heute müssen für eine private Versicherung mit einem Pflegetagegeld von 50 Euro in der höchsten Pflegestufe III von 50-jährigen Männern 35 Euro, von gleichaltrigen Frauen 60 Euro aufgebracht werden.

Die SPD-Politikerin Elke Ferner vermutete in der Bundestagsdebatte zur Pflegereform, dass bei den nun geförderten Tarifen die Sätze noch höher liegen würden, da hier eine Gesundheitsprüfung und Risikozuschläge ausgeschlossen seien. Äußerst fraglich ist auch, ob Menschen mit geringen Einkommen, insbesondere solche kurz vor dem Rentenalter, überhaupt Chancen haben, hier eine Sicherung aufzubauen. Denn schon jetzt ist eine Wartefrist von fünf Jahren vor der ersten Leistung festgelegt. Die SPD kritisierte, dass die für die Förderung der privaten Pflegeversicherung vorgesehenen Mittel in der gesetzlichen Pflegekasse fehlen würden.

Die FDP erreichte mit diesem Gesetz den Einstieg in eine privat finanzierte Pflegeversicherung. Die Regierungsparteien hatten 2009 die Ergänzung der umlagefinanzierten Pflegeversicherung in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen.

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland stellt die Frage nach der Beteiligung von Interessenvertretern an dieser Entwicklung. Angesichts einer ganzen Reihe von Parteispenden an CDU und FDP aus dem Jahr 2009 fragt Transparency hier nach einem Zusammenhang. Sieben Spenden zwischen 40 000 und 404 900 Euro seitens verschiedener, offenbar personell miteinander verflochtener Vermögensberatungsfirmen um den Unternehmer Reinfried Pohl erhielten die Parteien in jenem Jahr. Die Gesamtsumme belief sich auf 1. 007 000 Euro. Transparency-Vorstand Wolfgang Wodarg erklärte dazu, dass hier ein böser Anschein kaum von der Hand zu weisen sei.

Unternehmer Pohl hat sein Vermögen von 2,3 Milliarden Euro im Strukturvertrieb unter anderem mit Versicherungen gemacht; er gilt als einer der 50 reichsten Deutschen. Pohl war bereits in der Vergangenheit, zuletzt im Jahr 2000, durch hohe Parteispenden aufgefallen.

Transparency fordert nun, in der Gesetzgebung einen sogenannten legislativen Fußabdruck zu erstellen. Im Anhang zu Gesetzentwürfen sollten alle Interessenvertreter aufgelistet werden, die Abgeordnete oder Ministerialbeamte bei ihrer Arbeit dazu kontaktiert haben. Das ähnelt der Verpflichtung zur Angabe von Interessenkonflikten für Ärzte, die Vorträge halten oder Fachartikel publizieren. Immer häufiger werden sie dazu angehalten, in einem solchen Fall Zahlungen oder andere Verbindungen, etwa zu Pharmaunternehmen, offenzulegen.

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