Vorerst stehen die Bagger still

Gegen die weitere Elbvertiefung sind 13 Klagen und ein Eilantrag eingereicht worden

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Zahlreiche Klagen von Umweltverbänden, Städten und Gewerbetreibenden sowie ein Eilantrag gegen eine erneute Elbvertiefung sind bis zum vergangenen Montag beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingegangen. Das umstrittene Projekt wird sich damit auf jeden Fall verzögern.

Der erbitterte Streit um die Elbvertiefung geht in die entscheidende Phase. Montagnacht lief die Klagefrist gegen den Planfeststellungsbeschluss ab. Das Aktionsbündnis »Lebendige Tideelbe« der großen Umweltverbände WWF, BUND und NABU hat ebenso Beschwerde eingereicht wie die an der Elbmündung gelegenen Städte Cuxhaven und Otterndorf, die Deich- und Schleusenverbände sowie Gewerbetreibende. Die Anträge von Jagdverbänden und diversen Privatpersonen aus den betroffenen Regionen lagen laut dem für das Verfahren zuständigen Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bereits am Freitag vergangener Woche vor. Insgesamt sind 13 Klagen eingegangen. Die Naturschutzverbände versuchen darüber hinaus, mit einem Eilantrag durchzusetzen, dass die Baggerarbeiten nicht beginnen dürfen, solange der Rechtsstreit dauert.

Die Elbvertiefung wird vor allem von der Hamburger Hafenwirtschaft und Reedern heiß ersehnt. Die »gesamte norddeutsche Region wird davon profitieren«, verspricht Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Das Argument vom Hafen als Jobmotor - 155 000 Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt an ihn gebunden - hat offenbar gewirkt. Im März hatte Schleswig-Holstein die Elbvertiefung abgenickt, im April Niedersachsen.

Acht Mal wurde die Elbe bereits ausgebaggert. Derzeit können Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern in den Hamburger Hafen einfahren, allerdings nur bei Flut. Doch das reicht der Wirtschaft nicht. Sie will den Fluss auf 130 Kilometern noch einen Meter tiefer haben. Der »stolze prächt'ge Strom«, wie der Dichter Johann Peter Eckermann die Elbe im 19. Jahrhundert als Lebensader für Mensch, Flora und Fauna gepriesen hatte, sei in höchster Gefahr, meinen Naturschützer. Ein weiterer Eingriff »könnte das gesamte Flussökosystem zum Kippen bringen«, warnt Jörg-Andreas Krüger, stellvertretender NABU-Bundesgeschäftsführer. Der Tidenhub werde erheblich ansteigen, die Elbe zunehmend versalzen und Flachwasserzonen verschwinden, haben Umweltschützer herausgefunden. Das sei ein klarer Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Hinzu kommen noch Gefahren für die Bevölkerung: »Die verstärkte Strömung hat schon bei der letzten Vertiefung zu großen Deichsicherheitsproblemen in Niedersachsen geführt«, warnt Norbert Hackbusch von der Hamburger LINKEN-Bürgerschaftsfraktion.

Umstritten ist auch die Kostenrentabilität des Projekts. Ursprünglich waren 385 Millionen Euro veranschlagt worden. Mittlerweile ist von etwa 600 Millionen auszugehen. Dazu kommt noch der Aufwand für die Unterhaltungsbaggerarbeiten. »Die Elbvertiefung droht zu einem finanziellen und wirtschaftlichen Fiasko zu werden«, kritisieren die Hamburger Grünen. Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) bezeichnete die vielen Klagen kurz und knapp als »nicht unerwartet«. Weniger gelassen reagierte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer: Er hat für den Widerstand »null komma null Verständnis«.

Das Verfahren wird schätzungsweise ein Jahr dauern. In drei Monaten rechnet man mit einer Entscheidung über den Eilantrag zum Stopp der Bagger. Hat der Erfolg, kann sich für den Fall einer Entscheidung der Richter für die Elbvertiefung der Beginn der Arbeiten bis 2014 verzögern.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal