Werbung

Schnüffeln nach Paragraf 129

Hauptsache ermitteln

  • Lesedauer: 2 Min.

Der Paragraf 129 des Strafgesetzbuches (StGB) gilt als Relikt aus den Zeiten der Roten Armee Fraktion (deshalb auch »Lex RAF« genannt) und ist seit seiner Verabschiedung 1976 heiß umstritten. Denn er war ein Novum im deutschen Strafrecht. Ab sofort war es möglich, Menschen zu verurteilen, auch ohne dass sie einen konkreten Rechtsverstoß begangen hatten.

Paragraf 129a stellt allein die Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unter Strafe, die die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen des Staates beseitigen will. Dazu zählen Gruppierungen, die mindestens aus drei Personen bestehen und darauf gerichtet sind, schwerste Straftaten wie Mord, Totschlag, Völkermord sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit zu begehen. Auch die Unterstützung oder Werbung für solche »kriminelle Vereinigungen« wie etwa das Drucken von Flyern fällt darunter. Seit 1987 gehören der gefährliche Eingriff in den Bahn-, Schiff- und Luftverkehr und die Zerstörung von öffentlichen Bauwerken oder Fahrzeugen der Bundeswehr und Polizei ebenfalls zum Straftatbestand. Durch dieses Konstrukt haften prinzipiell alle für die Taten, die einer Vereinigung zugerechnet werden - unabhängig davon, ob ihnen die Einzeltat nachweisbar ist. Höchststrafe: bis zu zehn Jahre Haft.

Von Kritikern wird der Paragraf 129 als »Schnüffel- oder Gummiparagraf« bezeichnet, da er weitreichende Möglichkeiten zur staatlichen Überwachung beinhaltet, von denen die Betroffenen oft keine Kenntnis haben oder erst Jahre später erfahren. Dazu gehören die großflächige Überwachung von Handydaten, Rasterfahndungen, Razzien und Beschlagnahmungen. So drangen im Nachspiel des G8-Gipfels im Jahr 2007 Polizisten in etwa 40 Wohnungen und Büros linker Projekte ein und sicherten Unterlagen. Zu einer Anklage gegen die 18 Globalisierungskritiker ist es nie gekommen. Grundsätzlich werden fast 97 Prozent aller Ermittlungsverfahren - oft nach langer Zeit - eingestellt.

Laut einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion wurden im vergangenen Jahr 37 Telefonanschlüsse sowie 11 E-Mail-Postfächer überwacht und 15 Durchsuchungen angeordnet. In keinem der Fälle kam es zu einer Verurteilung.

Christin Odoj

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal