Finster ist's im BKA

Zierke oder Sachsens Ulbig - wer ist der nächste NSU-Sündenbock?

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Erst ging der Chef des Bundesverfassungsschutzes, dann feuerte man den vom Thüringer Landesamt. Am Mittwoch musste sein sächsischer Kollege abdanken. Und nun - der Nächste bitte? Der Aufruf ist deutlich, und die Auswahl der Kandidaten groß.

Jörg Zierke wäre so ein Rücktrittskandidat. Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA) und seine Besondere Aufbauorganisation »Trio« haben wenig Erfolge aufzuweisen. Und das, obwohl in den vergangenen acht Monaten zeitweise bis zu 500 Beamte für die Aufklärung der Terrortaten des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) abgestellt waren.

Vieles, was dem mutmaßlichen Mördertrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zugeschrieben wird, hat wenig gerichtsfeste Beweiskraft, hört man aus Ermittlerkreisen. So sei es nicht einmal sicher, ob es sich bei der »Zwickauer Zelle« um eine - dem Buchstaben des Gesetzes getreue - terroristische Vereinigung gehandelt hat. Gesetzt, Böhnhardt und Mundlos haben die Morde begangen, so muss nachgewiesen werden, dass Zschäpe sie dabei wissentlich unterstützte. Sonst kommt sie womöglich mit einer Anklage wegen gefährlicher Brandstiftung davon.

Viele Spuren, die das BKA verfolgte, sind nur lauwarm. Fragen tun sich bereits zum angeblichen Mörderquartier in der Zwickauer Frühlingsstraße auf. Die Beweisstücke führen zwangsweise zu der Frage: Wer hat da wirklich wann mit wem gewohnt? Noch unklarer ist die Lage am Unterschlupf Chemnitz. Das Wissen über die Anmietung von Fahrzeugen hat Lücken. Woher die meisten Waffen stammen, ist unklar. Es türmen sich Fragen zur Herstellung und zum Versand des Bekennervideos. Wo würden die Mörder gedrillt? Für ein Gangstertrio, das gewohnt war, im Nazihaufen Thüringer Heimatschutz mitzuraufen, verhielten sie sich im Untergrund und als Killer erstaunlich professionell. Wie konnten sie - siehe Köln - so perfekt so komplizierte Bomben bauen? Und wie haben sie die Opfer ausgewählt? Schlecht ausgeleuchtet ist das Unterstützerumfeld - und wahrlich nicht nur, weil gestern im BKA Stromausfall herrschte. Möglich, dass schon bald ein neuer »Sündenbock« gebraucht wird. Zierke steht dicht vor der regulären Pensionierung ...

Möglich aber, dass erst noch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) zurücktreten muss. Dass er seinen obersten Verfassungsschützer Reinhold Boos in die Wüste geschickt hat, weil in dessen Amt Akten zum NSU-Fall zurückgehalten wurden, fällt letztlich auf Ulbig selbst zurück. Er hat die Sach- und Fachaufsicht über den Geheimdienst, der schon zuvor durch diverse Skandale aufgefallen war. Ulbig hat zudem verhindert, dass die Aufklärung der »Pannen« im NSU-Fall gemeinsam mit der Thüringer Kommission unter Gerhard Schäfer geschieht. Den Untersuchungsausschuss im eigenen Land hat der Minister so lange verhindert, wie es nur ging.

Inzwischen wurde auch etwas deutlicher, was auf den nun im Dresdner Verfassungsschutz »gefundenen« 80 Dokumentenseiten vermerkt ist. Es handelt sich um Abhörprotokolle, und sie betreffen die »Kameraden« von Bood & Honour, speziell Jan Botho Werner, der zeitweise Sektionsleiter war.

Blood&Honour gehörte vermutlich zu den Chemnitzer Unterstützern des Mördertrios. Werner stand 1998 nachweislich in Kontakt mit einem Anschluss, der auf das Brandenburger Innenministerium registriert war. Der dortige Verfassungsschutz gab das Handy wohl seinem V-Mann Carsten Szczepanski (»Piato«). Der hatte berichtet, dass das Untergetauchte NSU-Trio Waffen suchte. Eine SMS, die Werner damals absandte, lautete: »Hallo, was ist mit den Bums?«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal