Republik der Lobbyisten

Georg Fülberth über die Pflege der politischen Landschaft im Interesse des Kapitals

  • Georg Fülberth
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein nicht beschlussfähiger Bundestag hat während des Fußballspiels Italien - Deutschland ein Gesetz verabschiedet, wonach Meldeämter Daten von Privatpersonen ohne deren Zustimmung weitergeben dürfen. Jetzt schämt sich die Regierung und hofft auf Opposition des Bundesrats.

Was ist das? Erstens eine Lachnummer fürs Sommerloch und zweitens eine Freude für die Piraten. Kaum schwächeln die etwas, beschaffen ihnen CDU/CSU und FDP wieder ein Thema. Leserinnen und Leser des »neuen deutschland« konnten im Fernsehen erleichtert zur Kenntnis nehmen, dass neben der Vizepräsidentin Petra Pau auch ein paar andere Abgeordnete der LINKEN anwesend und dagegen waren.

Viele sehen die Sache ernster: der Bundestagsbeschluss sei Ergebnis von Lobbyismus. Das ist ein wenig beschönigend. Die Lobby war in England eine Wandelhalle im Parlamentsgebäude, in der Einflüsterer herumlungerten. Derlei gibt es heute auch noch, beim Bundestag und dem Europäischen Parlament können sich Interessenvertreter sogar registrieren lassen. Wichtigere Lobbyisten halten sich aber längst nicht mehr in der Lobby auf, sondern im Floor - im Plenarsaal (und in den Ausschüssen). Tatsächlich waren es ja die Abgeordneten Piltz (FDP) und Uhl (CSU), die das Meldegesetz zugunsten von Adressenhändlern und Werbefirmen hingebogen haben.

Die Enthüllung ist geeignet, über Gravierenderes hinwegzusehen. Für das große Geld führt der direkte Weg nicht über das Parlament, sondern über die Regierung. Von ihr kommen die meisten Gesetzesinitiativen, und in deren Referentenentwürfe gehen oft schon Unternehmerinteressen ein. Vor ein paar Jahren verursachte die Nachricht kurzzeitige Aufregung, dass in einzelnen Ministerien Firmenbedienstete beschäftigt wurden, deren Sachkenntnis für die Formulierung komplizierter Bestimmungen benötigt wurde. Beamte kennen sich in den entscheidenden Kleinigkeiten des Unternehmens- und Steuerrechts eben oft nicht genügend aus. Hinzu kommt die Pflege der politischen Landschaft durch Parteispenden, an deren Umfang sich die »Wirtschafts«nähe und -ferne der einzelnen Parteien gut ablesen lässt. In den USA bestehen Präsidentschaftsbewerber ihren Eignungstest nicht erst am Wahltag, sondern schon vorher durch den öffentlichen Nachweis, wie viel Geld sie für ihre Kampagne aufbringen konnten.

All dies ist legal. Anders stand es mit der Schwarzgeld-Affäre der CDU 1999, in die ein ehemaliger Bundeskanzler und ein heute amtierender Finanzminister verwickelt waren. Besonders spendabel sind offenbar Waffenhändler. Immerhin wurde ein ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Staatssekretär, Holger Pfahls (CSU/Daimler-Benz AG), verurteilt. In einer Finanzaffäre der hessischen CDU drohte ein Schieber: Wenn er rede, dann wackele die Republik. Er unterließ es dann wohl. Die Republik wird noch gebraucht.

Wer das bedenkt, könnte Zyniker, Nihilist oder gar ein Feind der kapitalistischen Produktionsweise werden. Für jede dieser Haltungen spricht einiges. Aber man will ja auch seine kleine Alltagsfreude haben. Zum Beispiel könnte in der Geschäftsordnung des Bundestags festgelegt werden, dass vor jeder Abstimmung die Beschlussfähigkeit geprüft werden muss. Dann ist es eben manchmal nix mit Fußball.

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