Zeit, dass sich etwas ändert

MEDIENgedanken: Zukunft der Rundfunkgebühr

  • Heiko Hilker
  • Lesedauer: 4 Min.

ZDF und alle ARD-Sender haben für das laufende Jahr Defizite angekündigt. Das ZDF geht von einem Minus von gut 75 Millionen Euro aus, der WDR von knapp 54 Millionen, der Bayerische Rundfunk von 37 Millionen; beim SWR sind es 30 Millionen Euro. Hauptursache sind laut Senderangaben vor allem Mehrausgaben, die durch die Übertragungen der Fußball-Europameisterschaft und der Olympischen Spiele entstehen. Müsste also nicht die Rundfunkgebühr erhöht werden?

Die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Anstalten) legte dazu Anfang des Jahres ihre Empfehlung vor. Die große Mehrheit kann aufatmen: Erstmals seit 43 Jahren soll es keine Gebührenerhöhung geben. Die Rundfunkgebühr soll dann als Rundfunkbeitrag bei 17,98 Euro/Monat bleiben. Begründet wird dies unter anderem damit, dass sich nicht genau errechnen lässt, welche Einnahmen das neue Rundfunkbeitragsmodell bringen wird. 2010 erzielte die GEZ Einnahmen von 7,54 Milliarden Euro, 2009 waren es 7,6 Milliarden Euro. Es scheint also, dass die Einnahmen sinken. Doch im Vergleich zum Jahre 2008, also vor der letzten Gebührenerhöhung, sind es 300 Millionen Euro mehr. Die realen Einnahmen 2009 und 2010 liegen zudem jeweils ca. 200 Millionen Euro über der Summe, die die KEF bei ihrer letzten Gebührenberechnung im Jahre 2008 für diese Jahre angenommen hatte. Diese Mehreinnahmen müssen »bedarfssenkend« angerechnet werden, sie stehen den Anstalten nicht frei zur Verfügung. Zudem nimmt die KEF an, dass die Sender in der nächsten Gebührenperiode 581 Millionen Euro mehr einnehmen, als sie bisher geplant haben.

Wird der Rundfunkbeitrag also sinken, wenn die Gesamteinnahmen steigen? Verschiedene Ministerpräsidenten liebäugeln mit einem Paradigmenwechsel: ab 2017 sollen ARD und ZDF werbefrei sein. Die Mehreinnahmen beim Rundfunkbeitrag sollen die Einnahmeausfälle durch das Werbeverbot kompensieren.

Für die große Mehrheit der Gebührenzahler wird sich zum 1. Januar 2013 nichts ändern. Allerdings bleibt der Rundfunkbeitrag nicht für alle gleich: Mehr als 775 000 Personen mit Behinderungen, die bislang von Rundfunkbeiträgen befreit waren, wird der Nachteilsausgleich gestrichen. Sie sollen in Zukunft ein Drittel des Rundfunkbeitrags zahlen. Hunderttausende von Fernpendlern, die eine zweite Wohnung mieten, sind künftig gezwungen, doppelte GEZ-Gebühren zu zahlen. Über eine Million Menschen, die bisher keinen Rundfunk nutzten, müssen die volle Gebühr zahlen. Für 2,3 Millionen Nur-Hörfunk-Teilnehmer verdreifacht sich die Gebühr. Dies trifft auch auf die über 150 000 Menschen zu, die unabhängig davon, ob sie Rundfunk nutzen, heute schon die »PC-Gebühr« zahlen. Unklar ist bis heute die Situation für Hunderttausende Kleingärtner, die nach dem Gesetzestext die doppelte Gebühr zahlen müssen. Sie erwarten von den Ministerpräsidenten, dass diese ihre Zusage halten und also Kleingärten nicht mit einem Rundfunkbeitrag belastet werden.

Schon heute ist klar, dass ab 1. Januar 2013 alle den Rundfunkbeitrag zahlen müssen - und dies unabhängig davon, ob sie überhaupt Radio oder Fernsehen nutzen. Wenn jedoch alle zahlen müssen, dann müssen ARD und ZDF auch allen mehrmals in der Woche etwas bieten - und dies nicht nur zu nachtschlafener Zeit. Die Sender müssen sich vom Quotendiktat lösen. Denn die Quote bzw. der Marktanteil sagen nichts über die gesellschaftliche Reichweite und Relevanz. Wer von allen einen Rundfunkbetrag will, muss auch allen etwas bieten. Davon sind sie weit entfernt. Zu viele interessante und aufklärerische Sendungen haben sie in die Nacht verbannt. Ganze Genree, wie der Kurzfilm, der unformatierte Dokumentarfilm, der Kinderfilm, der keine Bestsellerverfilmung ist, sowie der Animationsfilm für Erwachsene, werden von ARD und ZDF vernachlässigt.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass ARD und ZDF zu oft nur den gesellschaftlichen Mainstream abgebildet haben. So gab es im Vorfeld der Finanzkrise 2008 kaum kritische Beiträge zu den Entwicklungen im Bankensektor. Dem in Paragraf 11 des Rundfunkstaatsvertrags festgeschriebenen Auftrag, »die Meinungsvielfalt« abzubilden, wird man selten gerecht. Es reicht eben nicht aus, nur ein Abbild der parteipolitischen Debatte zu liefern. Mit dem letzten Gebührenstaatsvertrag aus dem Jahre 2008 gaben die Ministerpräsidenten die Erwartung zu Protokoll, »dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Bereich Film- und Fernsehproduktionen Unternehmen sowie Urhebern und Leistungsschutzberechtigten ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung der Verwertungsrechte gewähren soll.« Sie wollten die Vielzahl und die Vielfalt in Medienlandschaft stärken.

Bisher hat sich für die Mehrzahl der klein- und mittelständischen Unternehmen nichts verbessert. ARD und ZDF diktieren ihnen die Preise, verlangen mehr Verwertungsrechte, ohne diese entsprechend zusätzlich zu vergüten. Und so wird deutlich: Die aktuelle Medienpolitik produziert mehr Verlierer als Gewinner. Eine lebendige Demokratie braucht Aufklärung und mehr Vielfalt, vor allem bei ARD und ZDF.

Der Autor ist Mitglied des MDR-Rundfunkrats und lebt in Dresden.

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