Genossenschaft wurde aussortiert

Gastkolumne

  • Heidrun Bluhm
  • Lesedauer: 3 Min.

»TLG-Verkauf lässt Finanzinvestoren aufhorchen«, titelte die Immobilienzeitung am Donnerstag. Die Nachrichtenagentur Reuters wusste mit Berufung auf »mit der Sache betraute Personen« bereits am Mittwoch: »Von den insgesamt sechs Interessenten, die in der ersten Runde Angebote abgegeben hätten, seien nur zwei klassische Immobilienunternehmen«. Die anderen vier seien Finanzinvestoren wie Cerberus, Blackstone, Apollo und ein Fonds von Morgan Stanley. Es sind Nachrichten, wie wir sie von den Wohnungsverkäufen der letzten Jahre kennen.

Allein dies ist nur ein Teil der Wahrheit. Zu den Bietern gehörte auch die TreuhandliegenschaftsGenossenschaft FAIRWOHNEN i.G., die sich ebenfalls fristgerecht und mit einem qualifizierten Angebot beteiligt hatte. Sie wollte die Wohnungsbestände der TLG in das Eigentum der selbstorganisierten Bewohnerinnen und Bewohner überführen, damit diese sie langfristig eigenständig bewirtschaften können. Diese Genossenschaft ist nun, wie aus dem eigentlich vertraulichen Bieterverfahren an die Agenturen durchgestochen wurde, aus dem Rennen. Über die Hintergründe des Ausscheidens und den Zeitpunkt der Veröffentlichung mag man spekulieren. Eine Kontinuität muss man den Entscheidungen des Bundesfinanzministeriums allerdings attestieren: Hatte das BMF doch die in einen Skandal um manipulierte Zinssätze verwickelte britische Bank Barclays als Transakteur für den Verkauf der TLG-Anteile in einem »offenen, transparenten und bedingungsfreien Bieterverfahren« beauftragt. Andere öffentliche Wohnungsbestände wurden bereits an vom Finanzmarkt befeuerte Vehikel verkauft.

Wo in solchen Verfahren die Interessen der Mieterinnen und Mieter bleiben, wollte auch die SPD in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen. Staatssekretär Steffen Kampeter antwortete am 11. Juli 2012: Das offene Verfahren »setzt insbesondere voraus, dass die Bundesregierung keine Bedingungen an den Erwerb der Anteile knüpft, die von einem privaten Veräußerer in der Situation der Bundesregierung nicht auch gestellt würden. ... Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich diese Bedingungen den Kaufpreis reduzierend auswirken können. Aus diesem Grund ist der Bundesregierung verwehrt, verkäuferseitig eine umfangreiche Sozialcharta verbindlich vorzugeben.«

Entlarvender kann eine Antwort nicht sein. All das öffentliche Gerede von Mieterschutz, Kündigungsschutz älterer und schutzbedürftiger Mieter und letztlich Selbstorganisation ist am Ende nichts wert. Nicht nur, dass die Mieterinnen und Mieter erst aus den Informationsveranstaltungen von FAIRWOHNEN vom Verkauf erfuhren, auch eilig nachgeschobene Versprechen zur Beteiligung an der Ausarbeitung einer Sozialcharta klingen angesichts dessen hohl. Insofern war es den Verfahrensverantwortlichen wohl auch wichtig, das genossenschaftliche Gegenmodell zu den Finanzinvestoren aus dem Verfahren zu nehmen.

Die TreuhandliegenschaftsGenossenschaft FAIRWOHNEN i.G. wird es jedoch weiter geben und sie wird auch ohne Kaufoption beim Bund weiter auf die Selbstorganisation der Bewohnerinnen und Bewohner setzen, ebenso wie DIE LINKE, damit die Mieterinnen und Mieter nicht als die Renditezahler für die »Heuschrecken« dienen.

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