nd-aktuell.de / 27.07.2012 / Politik / Seite 17

Ver.di bleibt skeptisch

Dienstleistungsgewerkschaft sieht IG-Metall-Vereinbarung über Zuschläge für Leiharbeiter kritisch

Daniel Behruzi
Weniger streikstarke Gewerkschaften kämpfen für eine gesetzliche Festschreibung von »Equal Pay«. Sie sehen sich darin durch den Tarifabschluss der IG Metall geschwächt.

Als »große Schritte nach vorn« preist die IG Metall die kürzlich von ihr geschlossenen Tarifverträge zur Besserstellung von Leiharbeitern. Bei der Schwestergewerkschaft ver.di sieht man die Vereinbarungen kritischer - und nicht unbedingt als Vorbild für die eigenen Branchen. Das geht aus einer internen Analyse der tarifpolitischen Grundsatzabteilung von ver.di hervor, die dieser Zeitung vorliegt. Ab dem 1. November erhält ein Teil der in der Metall- und Elektroindustrie eingesetzten Leiharbeiter mehr Geld. Nach sechs Wochen Einsatzzeit bekommen sie einen Zuschlag von 15 Prozent auf den DGB-Leiharbeitstarif, der Stundenlöhne ab 7,89 Euro im Westen und 7,01 Euro im Osten vorsieht. Bei längerer Verweildauer erhöht sich die Zulage stufenweise auf bis zu 50 Prozent. Dieser Höchstbetrag wird allerdings erst nach neun Monaten fällig. »Hier bleibt den Zeitarbeitsunternehmen und auch den Einsatzbetrieben ein breiter Gestaltungsspielraum, über ständigen Personalwechsel nur wenige Leiharbeiternehmer in den Genuss dieser Zuschläge kommen zu lassen«, heißt es in der ver.di-Analyse.

In den von der Gewerkschaft vertretenen Dienstleistungsbranchen ist die durchschnittliche Verweildauer im Entleihbetrieb deutlich geringer als in der Metallindustrie. So sei nur ein kleiner Teil der Leiharbeiter drei oder gar neun Monate am Stück in demselben Betrieb eingesetzt. Rund die Hälfte von ihnen bleibe maximal drei Monate, zwölf Prozent gar nur drei Tage, heißt es in dem Papier. »Es ist für uns nicht vorstellbar, einen Branchenzuschlag zu tarifieren, von dem die Mehrheit der Leiharbeitsbeschäftigten nicht profitieren würde«, sagt ver.di-Sprecher Christoph Schmitz deshalb. Zudem sind die Vergleichsentgelte, also die den Stammbeschäftigten zustehenden Vergütungen, zumeist niedriger. Vor diesem Hintergrund sei eine Übertragung des Ergebnisses der Metallbranche nicht möglich, heißt es in der Stellungnahme der tarifpolitischen Grundsatzabteilung. Ein weiteres Problem bei der Übertragung sei, dass die Zuschläge in den von ver.di organisierten Bereichen aktuell nicht bei ohnehin anstehenden Tarifverhandlungen zum Thema gemacht werden könnten. Formal hat die IG Metall die Zulagen zwar nur mit den Zeitarbeitsverbänden BAP und iGZ festgeschrieben. De facto handelt es sich aber um eine dreiseitige Vereinbarung, in die die Konzerne der Metallbranche einbezogen sind.

Es geht für ver.di allerdings nicht nur um die Frage der Übertragbarkeit, sondern um grundsätzliche Kritik an dem IG-Metall-Vertrag. Dessen »Hauptproblematik« sei die politische Bedeutung des Tarifabschlusses, heißt es in dem genannten Papier. Sowohl die Zeitarbeitsfirmen als auch Gesamtmetall und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betrachteten diesen als Ersatz für eine gesetzliche Festschreibung des »Equal Pay«, also der gleichen Entlohnung von Stamm- und Leiharbeitern. In der Tat hatte Thomas Bäumer, Verhandlungsführer der von BAP und iGZ gebildeten Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ), unmittelbar nach Vertragsabschluss erklärt, damit habe man die Forderung der Politik nach Equal Pay selbst erfüllt - und zwar auf tariflichem Wege. »Eingriffe der Politik in die Tarifautonomie sind damit überflüssig.« Das widerspricht zwar den Tatsachen - selbst bei einem 50-Prozent-Zuschlag reichen die Leiharbeitslöhne nicht an die Einkommen der Festangestellten heran - wird von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen aber offenbar genauso gesehen. Mit Verweis auf die IG-Metall-Vereinbarung sowie eine ähnliche, von der Chemiegewerkschaft IG BCE getroffene Regelung begründete die CDU-Politikerin kürzlich, warum sie zunächst keine gesetzliche Initiative ergreifen will.

»Mit Erstaunen« habe ver.di die Aussage der Ministerin zur Kenntnis genommen, entsprechende Verträge würden auch in den Branchen »Gesundheit, Druck, Logistik und Verkehr vorbereitet«, so Gewerkschaftssprecher Schmitz. »Von Verhandlungen sind wir noch meilenweit entfernt«, betonte er. Im kommenden Monat sollen zunächst weitere Sondierungsgespräche mit den Zeitarbeitsverbänden stattfinden. Etwas weiter ist man bei der Bahn: Dort will die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im August reguläre Tarifverhandlungen mit der VGZ aufnehmen.