Mit »nd« zur Taut-Siedlung

Die Gartenstadt Falkenberg ist ein Vorläufer des sozialen Wohnungsbaus

Ein älterer Mann mäht den Rasen, ein etwas jüngerer repariert ein Gartentor und eine Frau hantiert mit einem Spaten. Das ist nichts Eigentümliches. Es ist schließlich Sommer, Gartenzeit also. Etwas Besonderes ist aber der Ort des Geschehens, die Gartenstadt Falkenberg. Sie gilt als ein Vorläufer des sozialen Wohnungsbaus. Die nd-Wanderung am 16. September streift gleich zu Beginn der Strecke dieses beeindruckende Werk des berühmten Architekten Bruno Taut (1880-1938).

Die nd-Tour startet am 16. September zwischen 8 und 11 Uhr am Berliner S-Bahnhof Altglienicke und führt wahlweise über 7,5 oder 12,5 Kilometer zum Ziel, der Gaststätte »Richtershorn« an der Sportpromenade. Dort wird dann auch der neue nd-Chefredakteur Tom Strohschneider sein.

Schon nach wenigen Schritten ein Hinweisschild, die Gartenstadt Falkenberg befinde sich 50 Meter links. Gemeint ist die Bruno-Taut-Siedlung, denn rechts gibt es auch eine Gartenstadt Falkenberg, die Neue Gartenstadt, gebildet aus modernen Viergeschossern, die seit dem Jahr 2000 errichtet wird.

Die historische Siedlung ist freilich viel älter. Bereits 1912 hatte die extra zu diesem Zweck gegründete Gemeinnützige Baugenossenschaft Gartenvorstadt Groß-Berlin das 70 000 Quadratmeter große Gut Falkenberg erworben.

»Wo einst Friedrich der Große eine Maulbeerplantage betreiben ließ, sollte nach Plänen von Bruno Taut eine Gartenstadt mit 1500 Wohnungen für 7000 Einwohner entstehen«, schreibt Friedrich Wolff in seinem Buch »Gartenstädte in und um Berlin«. Als erster Bauabschnitt sei der Akazienhof realisiert worden, eine verkehrsberuhigte Zone nach englischem Vorbild.

Taut entwarf vor allem kleine Reihenhäuser. Es sind aber auch einige wenige Mehrfamilienhäuser gebaut worden. Die Wohnungsgrößen reichen von 45 bis 77 Quadratmeter. In der Anfangszeit sei eine Jahresmiete ab 470 Mark verlangt worden, notiert Wolff. 1916 kam der Ausbau der Siedlung wegen des Ersten Weltkriegs zum Erliegen. Deswegen ist auch nicht mehr das geplante Zentrum entstanden.

Optisch auffallend ist die Farbe der Fassaden: weiß, schwarz, rot, blau, grün und braun gepinselt, weshalb das Viertel den Beinamen »Tuschkastensiedlung« erhielt. Die Anstriche basieren auf mineralischen Farben, von Adolf Wilhelm Keim entwickelt und 1878 zum Patent angemeldet. Die Farben trotzten jahrzehntelang der Witterung, erst zwischen 1992 und 2002 gab es eine Sanierung.

Mit der Gartenstadt Falkenberg und der gleichzeitig in Magdeburg entstandenen Siedlung Reform begründete Bruno Taut seinen Ruf als Spitzenarchitekt des Neuen Bauens, das sich durch seinen sozialen Anspruch auszeichnete. Auch ärmere Bevölkerungsschichten sollten bequem und gesund wohnen dürfen.

Bei einem Besuch der Gartenstadt Falkenberg empfiehlt es sich, einen der schmalen Wege hinter den Häuser zu nehmen. Das erlaubt Einblicke in beschauliche Gärten, die zwischen 135 und 600 Quadratmeter groß sind. Die Bewohner haben aber in all den Jahren nicht nur den Rasen gemäht und die Beine ausgestreckt. Eine Gedenktafel verrät, dass sich die hier lebenden Arbeiter 1923 »in Aktionseinheit« dem reaktionären Kapp-Putsch entgegengestellt haben.

Friedrich Wolff: »Gartenstädte in und um Berlin«, 2012, Hendrik Bäßler Verlag, 147 Seiten (geb.) 21,80 Euro

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