Wohnen zwischen Schimmel und Milben

Fernsehteam dokumentiert katastrophale Zustände in hessischem Asylbewerberheim

Asylbewerber leben in Einrichtungen weit ab vom Schuss. Unter welchen Bedingungen sie dort hausen, zeigt eine neue Fernsehdokumentation.

Überbelegte Zimmer, eine undichte Waschmaschine, Schimmel im Bad und verdreckte Küchengeräte - dieses hessische Wohnheim hat mit Zuständen zu kämpfen, die für die rund 100 Bewohner kaum auszuhalten sind. Die Bewohner sind Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia, Pakistan oder Afghanistan. Unter die Schutzsuchenden aus 13 Nationen hat sich ein Kamerateam des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) gemischt. Vier Wochen lang testen die Journalisten im Selbstversuch, wie es sich als Asylbewerber fernab der einheimischen Bevölkerung in einem Industriegebiet lebt.

Ziemlich schlecht, so ihr Fazit. Die Flüchtlinge sind praktisch zum Nichtstun verdammt: Sie gucken entweder gelangweilt Fernsehen, liegen auf viel zu weichen Matratzen in ihren Betten oder sitzen einfach nur rum. Eine Arbeitserlaubnis erhalten sie erst nach einem Jahr, und auch nur dann, wenn kein Deutscher oder EU-Bürger für die Stelle zur Verfügung steht. Deshalb sind sie auf das Geld angewiesen, das ihnen die Behörden zur Verfügung stellen. Ganze 196 Euro im Monat sind das für jeden. Damit müssen sie auskommen - ob sie wollen oder nicht.

Die Journalisten würden schon nach wenigen Tagen am liebsten Reißaus nehmen. Ihnen macht besonders die ständige Unruhe und die Enge im Heim zu schaffen. Die Bewohner hocken regerecht aufeinander; an Privatsphäre ist nicht zu denken. Ein Rätsel, wie Kinder unter diesen Umständen zum Beispiel Ruhe zum Lernen finden können. Hinzu kommt, dass die Flüchtlinge aus unterschiedlichen Kulturen stammen und jeweils anderen Konfessionen angehören. Wenn die Muslima mitten in der Nacht zum Gebet aufsteht, wird das von der christlichen Bettnachbarin nur widerwillig hingenommen. Verständlicherweise.

Als die rbb-Frau Ausschlag an ihrem Körper bemerkt und wenig später die Diagnose erhält, dass sie die Krätze hat, steht der Selbstversuch vor dem Abbruch. Es stellt sich heraus, dass mehrere Bewohner von der Hautkrankheit betroffen sind. Der Grund für den Milbenbefall ist wahrscheinlich die Überbelegung der Unterkünften. Das Asylbewerberheim macht krank, daran besteht kein Zweifel. Die Reporterin bleibt trotzdem.

Das alles ist auch aus anderen Bundesländern bekannt. Immer wieder wurden in jüngster Vergangenheit unhaltbare Zustände dokumentiert. Für die Landkreise sind die Flüchtlinge eine finanzielle Belastung. Die Behörden tun nur das Allernötigste für sie, schließlich ist über ihre Asylanträge noch nicht entschieden und damit nicht ausgeschlossen, dass sie aus Deutschland abgeschoben werden.

Die Reporter packen nach vier Wochen ihre Koffer und ziehen aus. Die Schutzsuchenden müssen weiter zwischen Schimmelpilzen und Milben wohnen. Flüchtlingsalltag in Deutschland.

»Vier Wochen Asyl - ein Selbstversuch mit Rückkehrrecht«, heute, 21.45 Uhr, ARD.

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