Endspurt für Nachtruhe in Schönefeld

70 000 Brandenburger haben das Volksbegehren bislang unterschrieben

  • Marko Ferst
  • Lesedauer: 3 Min.
Bis zum 3. Dezember müssen in Brandenburg noch mindestens 10 000 Unterschriften gesammelt werden, wenn das Volksbegehren für ein konsequentes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr am neuen Hauptstadtairport in Schönefeld Erfolg haben soll. Zum Stand der Dinge äußert sich im Interview Mario Hausmann, ein Aktiver in Erkner.

nd: Warum ist Erkner besonders betroffen vom Fluglärm?
Hausmann: Die Stadt Erkner wird von beiden Start- und Landebahnen des Flughafens in die Zange genommen und wird dadurch rund 800 Überflüge am Tag über sich ergehen lassen müssen. Rechnet man mit zurzeit etwa 100 Überflügen, dann kann man von einer absolut dramatischen Zunahme an Lärm ausgehen. Allein am Wochenende sammelten wir rund 200 Stimmen in Erkner. Es gibt freilich auch Bürger, die den Ernst der Lage noch nicht begriffen haben.

Wie weit ist der Schallschutz in Erkner und Umgebung?
Für Erkner ist bislang kein Schutz vorgesehen. Im Moment weigert sich die Flughafengesellschaft sicherzustellen, dass zumindest in den Wohn- und Schlafräumen keine Überschreitungen eines Pegels von 55 Dezibel entstehen. Das Verkehrsministerium ist der Meinung, dass 79 Überschreitungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten zulässig sein sollen.

Was ist schlimm am Fluglärm?
Er schadet besonders Kindern und Kranken. Wir dürfen unsere Kinder später nicht kritisieren, wenn sie schlechte Zensuren in der Schule bekommen und anschließend keine Arbeit finden. Wer kann bei derartigem Krach lernen oder ruhig schlafen? Viele Menschen werden nachweislich durch Lärm krank oder sogar berufsunfähig. Die Kosten hierfür zahlt nicht die Flughafengesellschaft, sondern das tun selbstverständlich wir alle mit unserem Steuergeld.

Wo können Brandenburger, die das Volksbegehren unterstützen wollen, ihre Unterschrift leisten?
Man geht mit seinem Personalausweis ins Rathaus. Das Ganze ist in zirka fünf Minuten erledigt. Viele Rathäuser öffnen sogar samstags. Wer diese Chance jetzt versäumt, der darf sich nach Eröffnung des Flughafens auch nicht über den Lärm beschweren. Überdies ist die Briefwahl möglich, dafür wird die Zeit jedoch knapp.

Auf Potsdam setzt die Volksinitiative große Hoffnung. Von 130 000 zur Unterschrift berechtigten Potsdamern beteiligten sich bisher aber nur rund 3000. Warum?
Weil Potsdam zunächst weitgehend von Überflügen verschont bleibt. Die Flugrouten sind jedoch ein nahezu geschlossener Lärmteppich. Dieser wird auch Potsdam treffen. Spätestens wenn die dritte Startbahn gebaut wird, dann ist auch Potsdam vollends verlärmt.

Was erwarten Sie von der rot-roten Koalition, wenn das Volksbegehren erfolgreich ist?
Man muss realistisch bleiben. Die Wirtschaftslobby ist zu mächtig, Wirtschaft geht vor Gesundheit. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist angeschlagen. Seine Arroganz und Unbekümmertheit trägt ihn nun nicht mehr durch die Krise. Die Leute haben seine Politik satt, bei der ein Schulessen nicht mehr als zwei Euro kosten darf, ein Flughafen aber einige Milliarden mehr. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) würde wohl gerne seine Bürgerinnen und Bürger schützen, aber auch er ist dem Ruf des Geldes erlegen. Von der LINKEN als Regierungspartei in Brandenburg erwarte ich jedoch einiges: Sie unterstützt gerade aktiv die Protestaktionen für die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Stimmt sie bei einem erfolgreichen Volksbegehren nicht für selbige oder enthält sich der Stimme, ist sie meines Erachtens unglaubwürdig und nicht mehr wählbar.

Interview: Marko Ferst

nachtflugverbot-ber.de

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