Markenkern Null und »Halleluja!«

Jahresabrechnung von Koalition und Opposition im Abgeordnetenhaus

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Piraten brachten gestern die Opposition in Position, zum Jahresschluss noch einmal volle verbale Breitseiten auf die Koalition zu feuern. Sie setzten ein Jahr nach der Bildung von Rot-Schwarz deren Bilanz auf die Tagesordnung der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus.

Nicht selten war der Grundton spöttisch. So amüsierte sich Piraten-Fraktionsvorsitzender Christopher Lauer, dass es bei dieser Koalition schon als Leistung zähle, ein Bewerbungsverfahren rechtssicher durchzubringen. Im Blick hatte er dabei die endlich erfolgte Bestimmung eines neuen Polizeipräsidenten. Er befand: »Berlin wird nicht regiert, sondern verwaltet - und zwar schlecht.«

Parlamentarisch gut geschult hatte sich die Koalition noch vor der Debatte auch eine Vorlage geliefert. So fragte Karlheinz Nolte (SPD) den Senat in der Fragestunde harmlos, ob denn das Land Berlin im Jahr 2012 ohne neue Kredite auskommen werde. Siehe da, Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) bestätigte einen »großen Erfolg« der Regierung und der sie tragenden Fraktionen. Es sei die Erwartung »zulässig«, dass Berlin ohne neue, beziehungsweise mit deutlich verringerten Krediten das Jahr 2012 abschließen könne. Das strukturelle Defizit ließe sich bis spätestens 2015 abbauen. »Wir treiben nicht, wir steuern.«

Die »schwarze Null« pries dann CDU-Fraktionschef Florian Graf als »Markenkern der Koalition«. Sein Selbstlob einer guten Koalition fand ein lautstarkes »Halleluja!« im Plenum. »Sie loben sich selbst und reden sich besoffen«, quittierte LINKE-Fraktionschef Udo Wolf. »Das erste Jahr war einfach nur Schrott«, sagte er und kam mit der Aufzählung von Fehlleistungen wie Flughafen, Nazi-Terrorzelle NSU, der schlechten Behandlung von Flüchtlingen kaum noch hinterher. Die »angebliche schwarze Null« wog er gegen soziale Kürzungen und Streichungen bei den Bezirken ab. »Der öffentliche Dienst ist ausgeknautscht.« Noch wirke Rot-Rot nach, »aber irgendwann müssen sie schon selbst etwas auf die Reihe kriegen«, mahnte er.

Wieder müsse der Steuerzahler für das unternehmerische Versagen eines von SPD und CDU gebildeten Senats aufkommen, brachte seine Amtskollegin Ramona Pop (Grüne) die BER- mit der Bankenkrise von 1999 in Beziehung. Eine Jahr Rot-Schwarz bedeute »ein Jahr Stillstand in Berlin«.

»Abrechnung mit der Regierung« könne die Opposition machen, das sei aber ein »schlechte Opposition«. Er vermisse jedoch eigene Angebote, kritisierte der viel gescholtene Regierungschef zurück. Diese Koalition habe »sehr gute« Arbeit geleistet, versicherte Klaus Wowereit (SPD), wobei es auch »große Probleme« wie beim Flughafen und der Terrorzelle NSU gegeben habe. Sein Schluss aber war doch: »Berlin hat eine bessere Opposition verdient.«

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