Der Kanzlergern der SPD

Hans-Dieter Schütt fragt sich, ob ein Peer Steinbrück verdient, was er verdient

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Man möge ihm doch nicht mit Goldstücken kommen! Sagt Shakespeares Coriolanus, nachdem man ihn aus Rom verbannt hatte, sich den Heerführer dann aber heftig zurück wünscht. Zu spät: Verlockendes Gold ist dem Feldherrn ein zu schwaches Ding, um die verletzte Ehre zu heilen. Mammon verliert gegen Moral - der Patrizier heißt nicht Peer.

Wenn Steinbrück jetzt meint, ein Bundeskanzler verdiene zu wenig, dann setzt er die anstrebenswerte Nähe zum gemeinen Bürger - der aus verständlichem Egoismus heraus Sein und Haben stets in ein nutzbringendes Verhältnis zu setzen sucht - an der falschest möglichen Stelle an. Denn wohlweislich sollte ein in der Demokratie gewählter Bestimmer wichtiger politischer Geschicke nie in diesen einen gefährlichen Gedanken verfallen dürfen: Das, was er einstreicht, sei angemessener Ausgleich für das, was er zu tun hat. »Ich spüre, wie mir arbeitend die Kraft abhanden kommt«, so schrieb einst Walther Rathenau, »ich merke die Diskrepanz zwischen dem, was ich tun muss, und dem, was ich tun kann - ich wünsche mir angesichts dessen eine große Behaglichkeit der Lebensumstände und weiß doch, dass dies ein besänftigendes Gift wäre.«

Der Politiker in außerordentlichem Range: Wenigstens in geringem Maße - und sei es nur spürbar am Gehalt, dass ihn von den Ganzgroßverdienern trennt - möge er fühlen, »dass es eine irrwitzige Anmaßung ist, sich in diesen Stand zu begeben, dessen Praxis darin besteht, Schnee zu sieben überm Feuer. Man muss sich fernhalten von Wünschen nach dem gerechten Lohn dafür - gelingt es, ist man nahe daran, Politik begriffen und verinnerlicht zu haben« (Talleyrand).

Es hat Zeiten gegeben, da entzündete sich nicht mal beim Geringsten der Menge ein Neidfunken wider den Reichtum der Höheren. Aber Politiker sind längst abgestürzt aus jener charismatischen Höhe, wo man ganz andere Ausbildungen an Charakter und Wert und Wille und Privileg vermutet. Und anerkennt! Der heutige Hochrangige ist ein rackernder Funktionsträger, umgeben von immer größeren Schwärmen aus Zuarbeitern, die dringend nötig geworden sind, um die Präsenz des Repräsentanten mit ein paar Sinnsätzen zu versorgen. Angesichts dessen nun auch noch die Forderung nach höherem Gehalt! Dem Vaterlande dienen - indem man so viel verdient wie jene, die sich an ihm bedienen? Peervers.

Zu empfehlen ist dem Kanzlerkandidaten ein Kinobesuch: »Herr Wichmann aus der dritten Reihe« von Andreas Dresen. Der tapfere Schritt-für-Schritt-Sisyphos aus der brandenburgischen Provinz wäre Herrn Steinbrück ein gutes Lehrstück, da er gerade die letzte Bastion der politischen Berufsausübung niedertritt: das Pathos der Kärrnerei, die Leidenschaft jener fleißig betriebenen Vergeblichkeit, dass man nämlich angesichts der Ziele, die zu erreichen sind, gern pfiffiger Igel sein möchte - aber doch hastender Hase bleibt. Als Spitzenkraft zuerst! Kein Weg führt ins Märchen - dauernd welche zu erzählen, ist keine Lösung und schon gar kein Bankiersgehalt wert.

Der Kanzlergern der SPD verdient genug, um einen Deutschkurs für Anfänger zu belegen: Just in seinem Gefilde sollte alles Bestreben darauf gerichtet sein, das Verdienst höher anzusetzen als den Verdienst.

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