Wer hat Angst vor wem?

Luxemburg-Konferenz

  • Houssam Hamade
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Vorhalle der Berliner Urania ist eng vollgestellt mit Büchertischen von vielen verschiedenen linken Gruppierungen. Jede von ihnen will ihre eigene Erklärung der Welt oder ihre Zeitung verbreiten. Der Stand der »taz« verkauft dazu noch Schokolade. Es ist voll - wie jedes Jahr auf der von der Tageszeitung »junge welt« organisierten Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Und wie jedes Jahr gibt es eine Fülle von Vorträgen, öffentlichen Erklärungen, Botschaften und Vorstellungen.

Im Rahmen der Vortragseihe »Wer hat Angst vor wem?« spricht Ignacio Ramonet, Medienwissenschaftler, spanischer Direktor von »Le Monde Diplomatique« und Ehrenpräsident von Attac. Er erzählt von den Medien Lateinamerikas, die von Reichen gegründet wurden und den Reichen nach der Pfeife tanzen. Ramonet nennt Beispiele: Die Chilenische Zeitung »El Mercurio« habe mit dem CIA zusammengearbeitet, Streiks organisiert und damit das Land destabilisiert. Dem Medienkomplott gegen den venezuelanischen Präsidenten Hugo Chávez 2002 folgte ein Staatsstreich, der aber glücklicherweise missglückt sei. National und international würden die lateinamerikanischen Medien politisch motiviert Bericht erstatten, ein verzerrtes Bild von Chavez wiedergeben. Die Lehre sei dabei, dass ein Land öffentliche Medien brauche, nicht nur welche in Privathand. Es gebe inzwischen sehr positive Tendenzen dahingehend. Venezuela weise den Weg.

Höhepunkt der Konferenz war die Podiumsdiskussion, die - seien wir ehrlich - nicht wirklich eine Diskussion, sondern eine Reihe von wechselseitig ergänzenden Vorträgen war. Aber auch das kann interessant sein. Thema war »Der Feind steht links«. Es ging, am Beispiel des Skandals um die rechtsextreme Terrorgruppe NSU, um den bestürzend laxen oder sogar unterstützenden Umgang des Staates mit Neonazimördergruppen - und um den vergleichsweise heftigen Umgang staatlicher Organe mit den Linken.

Die linke Anwältin Gabrielle Heinecke führte aus, dass der Verfassungsschutz »auch nur ein Geheimdienst« sei, und eine lange Geschichte eines höchst problematischen Verhältnisses mit Nazis habe. Susann Witt-Stahl, Journalistin, konstatierte, dass zunehmend der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus vergessen werde. Der Neoliberalismus habe Begriffe »gehijackt« und damit ideologische Dominanz erreicht. Die Linke müsse sich die Definitionsmacht wieder zurückerobern.

Ähnlich sah es der stellvertretende DKP-Chef Patrik Köbele. Er führte wortmächtig aus, dass »Rechts« die Ultima Ratio zur Spaltung der Arbeiterklasse sei. Die Klassenfrage sei von der Faschismusfrage nicht zu lösen. Der Faschismus habe die Funktion, von tatsächlichen Herrschaftsstrukturen abzulenken. Der Staat habe dabei nur die Rolle, die Herrschaft des Kapitals zu schützen.

Empirische Belege für die These, dass der Staat auf dem rechen Auge blind sei, dafür aber besonders scharf mit dem linken Auge sehen kann, lieferte der Linkspartei-Politiker und Thüringer Fraktionsvorsitzende Bodo Ramelow. Er berichtete von seinen Erfahrungen beim »an's Licht zerren« der Eskapaden des Verfassungsschutzes, brachte persönliche Beispiele für die Ignoranz vieler Polizisten, Belege für offensichtliche Verfahrensfehler und Vertuschungen.

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