Über den Wolken ...
...ist Freiheit nicht grenzenlos - Deutschland laviert bei EU-Fluggast-Rasterfahndung
Die EU-Kommission will, dass sich Regierungsstellen bis zum 10. April um Fördermittel für den Aufbau von Fluggastdatenbanken bewerben. Damit greift sie ihren Möglichkeiten zumindest vor. Das EU-Parlament hat dem Entwurf zur europäischen Fluggastdatenspeicherung noch nicht zugestimmt.
Der Entwurf sieht vor, dass Informationen von Flugreisenden europaweit an Staaten übermittelt und für fünf Jahre gespeichert werden. Das soll der Verhinderung von Terrorismus und schwerer Kriminalität dienen. Die Fluggesellschaften wären verpflichtet, bis zu 60 Angaben aus 19 verschiedenen Kategorien an Sicherheitsbehörden zur »Gefahrenanalyse« weiterzuleiten: Name, Adresse, Reiseziel, Telefonnummer, Kreditkartendaten, Essensvorlieben... Man orientiert sich an US-Forderungen, denen die EU nahezu widerstandslos nachkommt.
Datenschützer laufen Sturm. Die Experten haben sich beispielsweise auf ihrer 81. Konferenz mit einer Entschließung gegen den Richtlinienvorschlag ausgesprochen. Sie forderten die Bundesregierung und den Bundesrat auf, »sich dafür einzusetzen, dass der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Verwendung von Passagierdaten nicht realisiert wird.« Das Zusammenspiel von Vorratsdatenspeicherung und Rasterung von Passagierdaten sei weder mit der EU-Grundrechtecharta noch mit dem grundsätzlich garantierten Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar, betonen die Datenschützer.
Die deutsche Regierung teilt die Einwände offenbar zumindest teilweise. Das zeigte sich auch beim Rat der Justiz- und Innenminister im April 2012. Bei der Zusammenkunft hatten 24 der 27 Mitgliedstaaten für den Entwurf gestimmt. Deutschland und die Niederlande enthielten sich. Nur Österreich stimmte mit Nein.
Der Innenexperte der Bundestagslinksfraktion Jan Korte wollte nun wissen, wie die Bundesregierung in Sachen Fluggastdatenbank weiter verfahren will. Er erhielt eine ausweichende Antwort.
Man habe sich sogar »für datenschutzrechtliche Verbesserungen« eingesetzt. Man wolle, dass die erhobenen Daten soweit wie möglich »in anonymisierter oder pseudonymisierter Form vorzuhalten und auszuwerten« sind, dass die Speicherfristen deutlich reduziert werden und für die sogenannte reaktive Nutzung eine »hohe Eingriffsschwelle« vorgesehen wird. Auch sollen aus deutscher Sicht keine innereuropäischen Flüge einbezogen werden.
Nur Bedenken anzumelden und sich der Stimme zu enthalten, reicht nicht aus, meinte Korte gegenüber »nd«. Er erwarte, dass die Regierung ihre Verhandlungspositionen »am Grundgesetz und nicht an den Überwachungswünschen der Innenminister ausrichtet«.
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