De Maizière blitzt bei Friedensbewegung ab

Kritik nach Besuch des Verteidigungsministers beim DGB

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Ankündigung einer vertieften Zusammenarbeit nach einem Treffen zwischen dem DGB-Vorstand und Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière sorgt nicht überall für Begeisterung.

»Die Bundeswehr ist Teil der Friedensbewegung.« Diesen Satz sagte Thomas de Maizière (CDU) nach einem Treffen mit dem DGB-Vorstand. »Bei uns hat er sich noch nicht vorgestellt und um Aufnahme gebeten«, sagte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski gegenüber »nd«.

De Maizière steht mit seiner Aussage jedoch nicht allein. Ex-Verteidigungsminister und Nato-Generalsekretär Manfred Wörner (CDU) nannte die NATO einst die größte Friedensbewegung, der kürzlich verstorbene Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte im Jahr 2004, die Bundeswehr sei die »größte Friedensbewegung Deutschlands«. Für Strutynski ist de Maizières Äußerung darum »wenig originell, aber unverschämt wie alle anderen«. Der Friedensbewegung gehe es nicht darum, den Frieden mit Waffen zu verteidigen.

»In der Tat hat die Bundeswehr nach dem Grundgesetz den Auftrag einen Beitrag zu Friedensbewahrung und Friedenssicherung zu leisten«, sagte Katja Keul, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag. Für Strutynski ist es auch ein ideologischer Streit um die Deutungshoheit um den Begriff Frieden beziehungsweise Friedenspolitik, »der sich zuspitzen wird«. Je mehr eine Bundesregierung Krieg als Mittel der Politik sehe, desto heftiger werde auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung darum.

Mit seiner Äußerung zur Friedensbewegung sei der Minister aber übers Ziel hinausgeschossen, meint Katja Keul. Von den Gewerkschaften erhoffe sie sich, dass sie sich »nicht ausschließlich auf den Erhalt von Arbeitsplätzen fokussieren, wenn es in den nächsten Jahren um die Konsolidierung des europäischen Rüstungsmarktes und die Reduzierung des Verteidigungsetats gehen wird«. Vielmehr müsse wieder über Konversion, die Umstellung von Rüstungs- auf zivile Produktion, gesprochen werden. Dass bei dem Treffen auch die anhaltende Anziehungskraft der Bundeswehr auf Rechtsradikale zur Sprache gekommen sei, begrüße sie, so Keul.

Das Problem stellt sich bei den Gewerkschaften jeweils unterschiedlich dar. Die IG Metall organisiert die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie, es geht um Waffenproduktion und -export. Bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di dagegen ist ein kleiner Teil der Soldaten organisiert und viele zivile Beschäftigte.

Das Thema Bundeswehr war auch ein großer Streitpunkt auf dem ver.di-Bundeskongress 2011. Die Gewerkschaftslinke konnte sich mit einem Antrag zum Rückzug der Bundeswehr hinter die Landesgrenzen nicht durchsetzen. Die Delegierten beschlossen, dass Bundeswehreinsätze nur unter UN-Mandat und zu humanitären Zwecken erfolgen sollten. Zudem lehnt ver.di beispielsweise den Einsatz im Innern oder Militärwerbung an Schulen strikt ab, so Sprecher Christoph Schmitz, aber die Bundeswehr sei eben auch »ein ganz normaler Gesprächspartner, weil sie Tarifpartnerin ist«. Wenn es eine Parlamentsarmee gebe, dann müsse es auch eine gewerkschaftliche Vertretung geben.

So sind es wohl zwei Ebenen, die verhandelt werden und die im Falle des DGB-Besuchs die Gemüter erhitzen. Auf der einen Seite steht die Realpolitik, die sich mit Problemen von real existierenden Beschäftigten auseinandersetzt - auf der anderen Seite steht die Argumentation, dass man Vertretern des Militärs nirgendwo eine Bühne bieten dürfe.

In den sozialen Netzwerken und an der Gewerkschaftsbasis sorgte die Ankündigung einer vertieften Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr für Verstimmung. Das Verhältnis der Gewerkschaften zu bewaffneten Streitkräften sei historisch belastet, hatte Sommer nach dem Treffen vor Journalisten gesagt, aber »das ist es heute nicht mehr«.

Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeits- und Mitbestimmungspolitik der Linksfraktion, sprach von einem »fatalen und absolut falschen Signal«. Sommer müsse sich »zu den friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaften bekennen und darf sich nicht der militärischen Interventionspolitik der Bundesregierung andienen«, so Krellmann. Viele Gewerkschaftsmitglieder hätten in den vergangenen Jahren gegen die Kriegseinsätze der Bundeswehr im Ausland demonstriert. Sie rufe darum alle Gewerkschafter dazu auf, so Krellmann, Michael Sommer an die gesellschaftspolitische Aufgabe der Gewerkschaften zu erinnern.

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