»Das wird eine Art Muppet-Show«

Der deutsche Ex-Radprofi Jörg Jaksche sagt heute im Prozess um den Dopingskandal Operación Puerto in Madrid aus

  • Lesedauer: 4 Min.
Am heutigen Montag geht der Prozess von Operación Puerto in seine dritte Woche. Er liefert den Auftritt zweier geständiger Ex-Doper. Der eine, der Italiener Ivan Basso, hat Doping nur halb und im Rahmen eines Gerichtsverfahrens in Italien zugegeben und ist nach einer Sperre erfolgreich in den Radsport zurückgekehrt. Der andere, der Ansbacher JÖRG JAKSCHE, hat aus freien Stücken ausgepackt und danach keinen Platz mehr im Geschäft der zwei Räder gefunden. Vor seinem Abflug nach Madrid gab Jaksche gegenüber nd-Dopingexperte TOM MUSTROPH Auskunft über seine Gemütslage sowie seine Einschätzung und Erwartungen an den Prozess.

nd: Wie lautet Ihre Einschätzung des bisherigen Verfahrens?
Jaksche: Ich habe das alles schon mit einem gewissen Interesse verfolgt. Für mich war es sehr eigenartig. Es geht der spanischen Justiz ja nicht um Doping, sondern um die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit. Dass die Richterin mögliche Zeugen, also Sportler anderer Disziplinen, die Kunden bei Fuentes waren, gar nicht zulässt und es sie auch nicht interessiert, die Namen von Fuentes zu erfahren, finde ich schon sehr verwunderlich.

Es kam ja tatsächlich in den bisherigen zwei Wochen etwas mehr heraus als erwartet. Dokumente, die auf den großen Sprinter Mario Cipollini hinweisen, aber auch Belege, dass Fuentes Spaniens Fußballklub Real Sociedad San Sebastian versorgte. Haben Sie jemals andere Kunden bei Fuentes gesehen?
Nein, niemals. Ich muss aber auch sagen, dass ich wahrscheinlich ohnehin nur Radsportler erkannt hätte. Ich war nicht fußballaffin genug, um Fußballer zu erkennen.

Haben Sie in den Jahren bei Fuentes jemals gesundheitliche Probleme gehabt, die sich aufs Doping oder eine fahrlässige medizinische Betreuung zurückführen ließen?
Nein. Aber ich muss schon sagen, dass mir die Gesamtheit der hygienischen Verhältnisse nie so ganz geheuer gewesen war. Ich habe es damals trotzdem gemacht, meine Bedenken aber jetzt durch die Guardia Civil bestätigt gefunden.

Was waren das für Bedenken?
Vor allem, wie er die Blutbeutel behandelt hat. Er hat sie in einem Kühlschrank ohne Notaggregat gelassen. Wenn der Kühlschrank zwei Tage aus gewesen wäre, hätte das niemand gemerkt. Es gab keine Schutzeinrichtung. Allgemein hatte ich den Eindruck, dass er nach der Devise operierte: Na, das wird schon. Auch wie das Blut aufgetaut wurde, war abenteuerlich. Da muss man bestimmte Temperaturen einhalten. Aber er hat das Pi mal Daumen gemacht. Das sah mehr nach Krieg aus, wo vieles egal ist, wenn jemand eine 50-prozentige Chance hat zu überleben und wenn man ihm den Blutbeutel dann schnell auch nur mit 20 Grad Celsius reinjagt.

Was hat der Prozess für Sie bisher gezeigt?
Ich glaube, dass die meisten jetzt erkannt haben, dass Fuentes ein Schaumschläger ist, der sich selbst gern glorifiziert. Dieses Bild hat die Guardia Civil jetzt widerlegt. Sie hat gezeigt, dass nicht alles so toll war, wie er es dargestellt hat.

Was wird am Ende herauskommen?
Nicht viel. Ich glaube, die Anklage gegen den sportlichen Leiter Manolo Saiz wird fallen gelassen. Fuentes selbst kommt vielleicht mit einer Geldstrafe davon. Das ist dem egal. Der war zwei Mal verhaftet wegen Dopings. Der setzt sich über bestehendes Recht hinweg. Das ist ein Typ, der über die rote Ampel fährt, um herauszubekommen, was dann passiert. Er sieht sich als Halbgott in weiß, der glaubt, dass das, was er an Menschen macht, allein seine Sache ist.

Glauben Sie, dass er, falls es jemals eine Wahrheitskommission im Radsport geben wird, vor einer solchen aussagt und dabei das Gesamtpanorama offenlegt?
Ich glaube nicht, dass er sich freiwillig einer Kommission stellt.

Ist er weiter als Dopingarzt im Geschäft tätig?
Ich glaube schon. Er war ja auch nach 2006 weiter aktiv.

Wie geht es überhaupt weiter mit der Wahrheits- und Aufarbeitungskommission, die die Initiative Change Cycling Now, der Sie ja auch angehören, weiter fordert?
Jetzt hat die UCI ja ihre eigene unabhängige Kommission eingestampft. Die war denen dann doch wohl zu unabhängig. Wir von Change Cycling Now können so eine Kommission nicht allein aufbauen. Man muss sehen, wie sich das sportpolitisch weiterentwickelt. Aber wir hätten gern, dass der Radsport gerettet wird.

Wie muss solch ein Aufarbeitungsprozess ablaufen? Man müsste ja zum einen Aussagebereitschaft für verbindlich erklären, zum anderen mit Straferlass bei Beichten locken.
Der Prozess funktioniert nur, wenn man den Leuten zwei Szenarien klar macht. Erstes: Du gestehst, du sagst die Wahrheit und erhältst eine Strafe, aber eine solche, bei der du - anders als bei mir - nicht dein Einkommen und deinen Job verlierst. Die andere Option: Du gestehst in einem bestimmten Zeitfenster nichts. Wenn man dir später aber doch etwas nachweisen kann, wie jetzt etwa im Fall von Lance Armstrong, bekommst du die ganze Härte des Gesetzes zu spüren. Es muss Druck dahinter sein, nur so kann es funktionieren.

Wie wird es für Sie heute in Madrid?
Ach, das wird eine Art Muppet-Show. Ich bereite mich schon darauf vor, dass Fuentes versuchen wird, mich als unseriös hinzustellen.

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