Eine Oper gegen das Böse

Musik sollte den Kindern des KZ Theresienstadt Hoffnung machen / Wiederaufführung in Würzburg

  • Christiane Gläser, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Oper für Kinder im KZ? Im Zweiten Weltkrieg wurde das Stück »Brundibár« im Konzentrationslager Theresienstadt mehr als 50 Mal gespielt. Nun wird das märchenhafte Werk in Würzburg aufgeführt - mit Hilfe von Kindern und zwei Zeitzeugen, die das Lager überlebten.

Würzburg. Die Musik sollte die Kinder vom hässlichen Alltag ablenken - und die Geschichte machte inmitten des Lagerlebens im Konzentrationslager Theresienstadt Hoffnung. Kinder sangen dort die Oper »Brundibár«. Die märchenhafte Kinderoper, in der es um Solidarität und den Sieg über das Böse geht, wurde 54 Mal von jungen Häftlingen für junge Häftlinge aufgeführt.

Ein Zuschauer und die weibliche Hauptrolle

Nun kommt das Werk im Würzburger Museum am Dom auf die Bühne. Von heute an singen die Domsingknaben und die Mädchenkantorei am Dom die besondere Oper. Es ist ein Gemeinschaftswerk des Würzburger Theaters und der Dommusik. Ergänzt wird die 35-minütige Oper durch die Uraufführung des Liederzyklus »Theresienstädter Tagebuch«.

Für beide Werke haben die Israelis Yehuda Bacon und Greta Klingsberg in ihren jahrzehntealten Erinnerungen gekramt. Sie überlebten während des Zweiten Weltkriegs die Zeit im KZ Theresienstadt. Bacon erlebte dort die Oper als Zuschauer und hat seine Erlebnisse in Zeichnungen verarbeitet. Klingsberg spielte 1943/44 in dem Lager die weibliche Hauptrolle in »Brundibár«.

Beide wohnen mittlerweile in Jerusalem. Sie haben in den vergangenen Jahren oft mit dem Dramaturgen Alexander Jansen vom Mainfrankentheater über diese Zeit gesprochen. Er hatte die Idee zu dem Würzburger Projekt und schrieb auch anhand der Gespräche und mit Hilfe von Tagebüchern und Notizen der Kinder aus dieser Zeit die Texte für das Chorwerk »Theresienstädter Tagebuch«.

»Es ist eine Herzensangelegenheit von mir, weil es ein historisches Dokument eines Widerstandes in einer hoffnungslosen Zeit ist«, sagt Jansen. »Kinder durften dort keinen Unterricht erhalten. Aber sie durften musizieren und zeichnen. Mit der Oper schufen die Pädagogen des Lagers Elemente von Heilung in einer traumatischen Zeit«, sagt der Dramaturg weiter. Er halte diese Oper für »ein ewiges Zeugnis von Empathie«.

Die Oper reiht sich beim Mainfrankentheater in die Stücke der aktuellen Spielzeit ein, die mit dem Thema »Machtspiele« überschrieben ist. »Wir versuchen damit, die unterschiedlichen Strukturen von Macht zu zeigen«, sagt der Intendant des Theaters, Hermann Schneider. Die Oper beantworte die Frage, wie Kinder Diktatur erleben.

Die Geschichte der Oper: Zwei Geschwister wollen für ihre kranke Mutter Milch besorgen und sich dafür als Sänger auf dem Marktplatz Geld verdienen. Doch der Drehorgelmann Brundibár vertreibt sie. Mithilfe von anderen Kindern und Tieren können sie den Machtbesessenen am Ende verjagen. »Es geht nicht darum, die Geschichte von KZ-Lagern aufzubereiten, sondern wir erzählen ein Märchen«, sagt Intendant Schneider. Die Kulisse besteht aus einem 20 Meter langen Eisenbahngleis und vier Werken des Überlebenden und Malers Yehuda Bacon.

Begleitprogramm mit Zeitzeugen

Neben der Oper und dem Liederzyklus, die zusammen achtmal im Museum am Dom aufgeführt werden, gibt es ein Begleitprogramm mit Zeitzeugengesprächen, eine Ausstellung des Künstlers Bacon, mehrere Schulprojekte sowie Vorträge.

Domkapellmeister Martin Berger hofft, dass die Oper Kinder dazu bringt, sich gesellschaftlich zu engagieren. »Die Erinnerungskultur mit dem Zeitgenössischen zu verbinden, ist ein interessantes Spannungsfeld. Es macht die Kinder neugierig und führt so zu einer inneren Beschäftigung mit dem Thema.«

Die Oper zeige auch, dass die Überwindung des Bösen möglich sei, wenn Menschen zusammenhielten und sich einander annäherten. »Das entspricht unserem christlichen und bürgerlichen Auftrag gleichermaßen«, sagt der Domkapellmeister.

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