Linksruck durch jüngere Wähler

Hamburg entscheidet über Wahlrecht ab 16 in Hamburg / Piraten könnten profitieren

  • Lesedauer: 3 Min.

Hamburg (dpa/nd). Die geplante Senkung des Hamburger Wahlalters auf 16 wird nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Kai-Uwe Schnapp zu einer Stärkung des linken Parteienspektrums führen. "Es wird wohl einen Linksruck geben", sagte Schnapp vor der entscheidenden Bürgerschaftssitzung in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.

Bei den Bürgerschaftswahlen 2011 in Bremen hatten 16- bis 18-Jährige erstmals ihr Kreuzchen machen dürfen. Nach den Erfahrungen, die man dort gemacht habe, werden bei der Wahl 2015 in Hamburg die Piraten und die Grünen, aber auch die SPD und die Linkspartei von der Einführung des Wahlrechts ab 16 profitieren, sagte Schnapp. Zudem habe sich bei simulierten Jugendwahlen, die in den vergangenen Jahren vor Bundestags- und Landtagswahlen durchgeführt wurden, gezeigt, "dass das Ergebnis bei den 12- bis 18-Jährigen ein ganzes Stück weiter links liegt als das tatsächliche Wahlergebnis".

Hauptprofiteur werden, so die Prognose des 46-Jährigen, die bundesweit in den Abwärtsstrudel geratenen Piraten sein. "Es werden in der Altersgruppe überdurchschnittlich die Piraten gewählt werden, vielleicht sogar zweistellig", meinte Schnapp. Aber es müsste schon ein Wahlergebnis von sehr knapp um die fünf Prozent sein, damit die Piraten wegen der Jungwähler in die Bürgerschaft einziehen.

Auch die Grünen werden laut Schnapp in dieser Altersgruppe sehr gut abschneiden. "Aber ich denke nicht, dass sie bei den Wählern zwischen 16 und 18 stärkste Kraft werden." Hamburg habe ein starkes sozialdemokratisches Milieu, was man auch bei den Teenager-Wählern sehen werde. "Denn viele Jugendliche sind stark vom Elternhaus geprägt."

Als einzige Fraktion wird wohl die CDU am Mittwoch die Senkung des Wahlalters auch in zweiter Lesung geschlossen ablehnen. Eines ihrer Argumente: Man sollte für das aktive und passive Wahlrecht das gleiche Alter - sprich: 18 - haben. Diese Verknüpfung hält Schnapp nicht für plausibel. Im Gegenteil. "Man muss weniger verstehen und wissen, um wählen zu können, als gewählt zu werden und ein politisches Amt ausüben zu können", sagte der Politikwissenschaftler an der Universität Hamburg.

Letztlich stecke hinter der Bürgerschaftsentscheidung eine gesellschaftliche Vereinbarung über das, was man für das akzeptable Alter halte. Er selbst erachte es als sinnvoll, das Wahlalter auf 16 zu senken, betonte Schnapp. Denn: "Man ist in Deutschland zum Beispiel bereit zuzugestehen, dass ein Kind ab 14 die volle Freiheit haben soll zu entscheiden, ob und wie es sich religiös orientieren möchte. Das nennen wir Religionsmündigkeit - und ich sehe in der Art der Entscheidung starke Parallelen zu einer politischen Wahlentscheidung."

16-Jährige seien reif genug zu wählen, "nicht mehr oder weniger als 18- bis 25-Jährige auch". Irgendwann werde es auch für die CDU normal sein, dass das Wahlalter bei 16 liegt, fügte Schnapp mit Blick auf die historischen Entwicklungen hinzu.

Ein weiteres Argument für die geplante Wahlrechtsänderung sei, dass man damit sicher auch einer spürbaren Politikverdrossenheit entgegenwirken könne. So rechnet Schnapp damit, dass die neuen Hamburger Jungwähler sehr eifrig von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden. Die vergangene Bremen-Wahl habe gezeigt, dass die Wahlbeteiligung der 16- bis 18-Jährigen höher war als bei den folgenden Altersgruppen. Und noch etwas führte der gebürtige Vorpommer für die Befürworter des Wahlrechts ab 16 ins Feld: "Dass es Anreize für die Parteien gibt, stärker auf die Wünsche der Jüngeren zu schauen - etwa in der Schulpolitik - halte ich für sinnvoll."

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