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Dicht wie ein Sieb

Ein guter Freund von mir war am Wochenende im Rheinland, Gattin und Töchterchen mit dabei. Was läge da näher, als es so zu machen wie einige andere tausend Menschen an Rhein und Ruhr auch? Ab in den Krefelder Zoo, wo drei Alpaka-Junge geboren wurden und „romantische Führungen am Valentinstag“ angeboten werden. Über letztere will man lieber nicht allzu viel wissen, wenn Werbetreibende über „Romantik“ reden, kommt selten etwas Vernünftiges dabei herum. Oder doch? Es gibt ja tatsächlich nichts Romantischeres als einen Spaziergang bei minus 12 Grad, in dem links die verzogenen Gören anderer Menschen plärren und rechts der Pfau kräht – das Ganze fein parfümiert mit Frittenfett und Elefantenkacke.

Nun denn, mein Freund schickte mir jedenfalls 14 Fotos aufs Handy, eines zeigte die Töchter – und 13 die „Grotenburg“. Die Grotenburg, die Älteren unter den ND-Lesern werden sich erinnern, ist die Heimstatt des KFC Uerdingen (zu Zeiten des 7:3 gegen Dynamo Dresden noch „Bayer Uerdingen“). Und da die direkt neben dem Zoo liegt, war sie ein dankbares Motiv. Mein Freund, das muss nun nicht mehr dazugesagt werden, ist Fußball-Fan, aber einer, der mit der unter dieser Spezies eher seltenen Gabe gesegnet ist, sich notfalls auch mal von außen beobachten zu können. Die Mail schloss dann auch mit einer rhetorischen Frage: „Die Anderen hier fotografieren Tiere im Zoo und ich die Grotenburg Kampfbahn...Sind wir noch ganz dicht?“

Natürlich sind wir das nicht. Wir Fußballfans sind so dicht wie ein Sieb, so zurechnungsfähig wie Amokläufer und so intelligent wie ein überfahrenes Kaninchen.

Sie merken, ich hätte es selbstredend genauso gemacht wie mein Kumpel. Nichts gegen Vogel Strauß, Tiger und Klapperschlange. Auch das ehrenhafte Geschlecht der Elefanten ist mir grundsympathisch. Aber was sind all diese Vergnügungen, wenn man stattdessen ein Stadion vor der Nase hat? Ich rede jetzt nicht von denen in Hannover, Frankfurt oder München, diesen perfekt konstruierten Beton-, Glas-, Stahl-Artefakten mit irgendwelchen Sponsorennamen, die sich wohl nur der jeweilige Sponsor merken will. Ich rede vom Karli in Babelsberg, dem Böllenfalltor in Darmstadt, dem Waldstadion in Homburg an der Saar. Und ich rede, verdammt noch mal, von der Grotenburg in Krefeld.

Als Uerdingen noch in der Bundesliga gespielt hat, galt das Teil als deplatziert, als Schmerz im Po. 34.500 Zuschauer hätten Platz gehabt, es kamen aber immer nur 3.467. Dafür war ein Plüschelefant namens „Grotifant“ da. Der tat sein Bestes, um die Leute bei ihrem tristen Alltag als KFC-Fans ein wenig zu erheitern. Und wurde zum Dank einmal von Düsseldorfer Hooligans verprügelt.

Anders gesagt: Uerdingen ging gar nicht.
Und heute? Kommen plötzlich 3.000 Leute zu Spielen gegen Homberg oder Wülfrath. Darunter auch einige, die sich die ganzen modernen Arenen mit ihren hyperaktiven Stadionsprechern, Cheerleadern und Übelmucke einfach nicht mehr ziehen können und mit verklärtem Blick etwas von „Old School“ vor sich hin säuseln, wenn der blinde Verteidiger mal wieder unbedrängt den Ball ins Haus kickt oder die drei Bratwürste am Grill ausverkauft sind, weil der Andrang mal wieder zu groß war.

Das Ganze hat natürlich auch eine Makroebene. Pilgerte man früher als Deutscher nach England – der echten unverfälschten Fußballatmosphäre wegen, ist es heute umgekehrt. Menschen aus Leeds, London und Sheffiled fliegen zu Spielen von Nürnberg, Schalke – und Rot Weiß Essen. Es soll Brauereien in Nordrhein-Westfalen geben, die den Konkursantrag zurückgezogen haben, weil nun die Engländer für den Absatz sorgen.

So und jetzt muss ich meinem Kumpel schreiben. Er wohnt an der Ostseeküste, ich im Badischen. Finde, wir sollten und auf halber Strecke treffen. In Krefeld sollen sie einen schönen Zoo haben.

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