Ab jetzt nur noch »Frankfurter Allgemeine Rundschau«?

»Sanierungsfusion« von FR und FAZ kostet Hunderte Arbeitsplätze / Transfergesellschaft steht noch nicht

  • Hans-Gerd Öfinger, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Übernahme der »Frankfurter Rundschau« durch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« ist unter Dach und Fach. Die linksliberale Ausrichtung des Blattes soll erhalten werden, jedoch mit stark dezimierter Redaktionsmannschaft.

Die »Frankfurter Rundschau« (FR) wird nach ihrer Übernahme durch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) und ihre Konzernschwester Frankfurter Societät (FS) zum heutigen 1. März weiterhin als Tageszeitung erscheinen. Dies teilten Vertreter der neuen Mehrheitseigentümer am Donnerstag in der Mainmetropole mit. Daneben ist auch die nach dem 1973 verstorbenen FR-Mitherausgeber und Gesellschafter benannte Karl-Gerold-Stiftung mit einem Anteil von zehn Prozent an der künftigen »Frankfurter Rundschau GmbH« beteiligt. Am Mittwoch hatte das Bundeskartellamt grünes Licht für die als »Sanierungsfusion« bezeichnete Übernahme der FR durch die FAZ gegeben.

Während treue FR-Leser im Rhein-Main-Gebiet sich freuen können, dass sie ihre tägliche »Rundschau« weiter druckfrisch lesen können, sind die Folgen für die allermeisten FR-Beschäftigten bitter: So verlieren über 400 Arbeiter und Angestellte in Druckerei, Verlag und Redaktion ihre Arbeitsplätze. Allein mit der Stilllegung des FR-Druckzentrums in Neu-Isenburg werden 250 Beschäftigte erwerbslos. Die FAZ hatte von Anfang an kein Interesse an dem Druckbetrieb und wird die FR-Printausgabe bald in ihrer eigenen FSD-Großdruckerei im südhessischen Mörfelden-Walldorf produzieren.

Der Neu-Isenburger FR-Betrieb hatte bis Januar 2013 noch eine hohe Teilauflage der Springer-Blätter »Bild«, »Welt« und »Welt Kompakt« gedruckt. Dass der Springer-Konzern direkt nach Einleitung des FR-Insolvenzverfahrens im vergangenen November trotz jahrzehntelanger reibungsloser Kooperation die Druckaufträge kündigte, dürfte von langer Hand geplant gewesen sein. Es kam einem ersten Todesurteil für das Druckhaus gleich. Hoffnungen der Belegschaft, dass Springer diesen Schritt zurücknimmt oder sich ein anderer Investor finden könnte, haben sich inzwischen endgültig zerschlagen.

Die neuen Eigentümer wollen nur 28 FR-Redakteure übernehmen, die nach dem Willen der FAZ-Manager »die Zukunft der Marke ›Frankfurter Rundschau‹« und ihre »linksliberale Ausrichtung« garantieren sollen. Mit einer derart dezimierten Redaktion dürfte die künftige FR aber verstärkt auf Textbeiträge anderer Verlage, Agenturen, Freiberufler und Journalisten der Leiharbeitsfirma »PDF« angewiesen sein.

Alle Gekündigten sollen zunächst in einer Transfergesellschaft unterkommen und sich dort auf Bewerbungen vorbereiten. Ob der Verkaufspreis, den die FAZ aus ihrer prall gefüllten »Kriegskasse« für den Titel FR entrichtet, für eine angemessene Ausstattung der Transfergesellschaft und die Abfindungen für den Arbeitsplatzverlust der Beschäftigten ausreicht, bleibt abzuwarten. Über den Kaufpreis hüllen sich die Beteiligten in Schweigen.

Dass es hinter den Kulissen knistert, lässt eine Äußerung von ver.di-Vizechef Frank Werneke ahnen. Er kritisierte am Donnerstag scharf, dass die Mittel für die angekündigten Abfindungen und eine länger als sechs Monate laufende Transfergesellschaft noch immer nicht bereitstünden. Die bisherigen FR-Gesellschafter, der Kölner Verlag DuMont Schauberg (MDS) und die SPD-eigene Medienholding DDVG, müssten endlich »zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, um die Abfindungen vorzufinanzieren und eine bessere Ausstattung der Transfergesellschaft zu gewährleisten«, forderte Werneke.

Die Belegschaft ist verbittert darüber, dass MDS und DDVG die FR wie eine »heiße Kartoffel« fallen ließen. Mit der überraschenden Einleitung des Insolvenzverfahrens hätten sie die Belegschaft um ihre Ansprüche an Sozialplan, Interessenausgleich und Kündigungsfristen geprellt, meinen viele. Auch dies lässt ahnen, dass das abrupte Ende der alten FR möglicherweise von langer Hand vorbereitet wurde.

Mit der FR-Übernahme und der Schließung der Neu-Isenburger Druckhauses setzt sich der Konzentrationsprozess im deutschen Zeitungs- und Druckereisektor beschleunigt fort. Die FAZ, die schon mit ihrem Ableger »Frankfurter Neue Presse« (FNP) eine starke Position in der Gegend hat, baut nun ihre Vorherrschaft im Rhein-Main-Gebiet weiter aus. Während Vertreter von SPD, CDU und Grünen die Weiterexistenz der FR als Beleg für »Pressevielfalt« werteten, bescheinigte der Frankfurter ver.di-Sekretär Manfred Moos der FAZ das vorrangige Ziel, den Anzeigenmarkt in Frankfurt am Main allein zu übernehmen. »Hier geht›s um Kohle‹«, konstatierte der Gewerkschafter.

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