Sachsen-Anhalt erhält Zweitfinanzminister

Spardiktat für Unis führt zu Rauswurf aus Kabinett

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Weil sie sich dem Spardiktat für die Hochschulen verweigerte, flog Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff aus dem Kabinett in Magdeburg. Ihr Nachfolger, ein Ex-Finanzminister, wird weniger widerspenstig sein.

Zweitauto, Zweithandy und, wie mancher ironisch behauptet, auch das Zweitbuch liegen im Trend. In der Landesregierung von Sachsen-Anhalt wird es ab dieser Woche einen Zweitfinanzminister geben. Besetzt wird die Rolle von Hartmut Möllring, den Regierungschef Reiner Haseloff (beide CDU) kurzfristig ins Kabinett bestellt hat.

Formal ist der Neue nicht fürs Geld verantwortlich: SPD-Mann Jens Bullerjahn bleibt diesbezüglich fest im Sattel. Laut Amtsbezeichnung wird er Ressortchef für Wissenschaft und Wirtschaft. Dass freilich seine Vorgängerin Birgitta Wolff am Freitag geschasst wurde, liegt daran, dass sie sich aus Sicht von Haseloff nicht ausreichend den Finanzen widmen wollte, konkreter: den Sparvorgaben, die Bullerjahn auch den Hochschulen macht.

Womöglich hatte Wolff schlicht zu viel Ahnung von ihrem Metier. Die 47-Jährige ist Wissenschaftlerin mit Leib und Seele. Studiert hat sie in München, Witten / Herdecke und Harvard, gelehrt zuletzt in Magdeburg, wo sie seit 2000 den Lehrstuhl für BWL und Internationales Management inne hatte.

Als eine solche Vollblutwissenschaftlerin konnte sie sehen, was die Pläne des Finanzministers für die Hochschulen im Land bedeuten. Ab dem Jahr 2015 sollen jährlich fünf Millionen Euro eingespart werden; insgesamt soll das Budget um 77 Millionen Euro eingedampft werden. Die Studentenzahl soll von 55 000 auf 33 000 sinken. Die Einsparungen sollen dazu beitragen, dass Sachsen-Anhalt keine Kredite mehr aufnehmen muss und einen Teil der Schulden abtragen kann.

Wolff hatte die Linie intern und öffentlich als »Wasserentzug« kritisiert. Vermutlich hatte sie noch die hochtönenden Worte auch von Haseloff im Ohr, der gern betonte, wie wichtig Wissenschaft und Innovation für die Zukunft des Landes seien. Sinnbild dafür sollte die Verschmelzung von Wirtschaft und Wissenschaft in einem Ressort nach der Landtagswahl 2011 sein, das Haseloff der acht Monate zuvor auf seinen Wunsch hin in die Politik geholten Professorin auf den Leib geschneidert hatte.

Zwei Jahre später jedoch hat in der Regierung »das Finanzdogma über den Sachverstand gesiegt«, sagt Thomas Lippmann, Landeschef der Gewerkschaft GEW. Der Rauswurf, den Haseloff der einstigen Hoffnungsträgerin am Telefon mitteilte, zeigt laut Lippmann, dass im Kabinett nun »bedingungslose Unterwerfung unter das Spardiktat« gefordert werde - ein Signal, das andere Minister aufmerksam registrieren werden. Wulf Gallert, Chef der Linksfraktion im Landtag, bescheinigte Wolff, ihrem Gewissen gefolgt zu sein und nicht »blinder Parteiräson« - was in der Koalition nicht gewünscht sei. Die Entlassung, fügte er hinzu, bedeute eine »Schwächung der Landesregierung.«

Deren Neumitglied Möllring hat sich bisher keine Meriten als Fürsprecher der Wissenschaften verdient. Statt dessen habe er als Finanzminister in Niedersachsen etwa die psychiatrischen Landeskliniken verramscht, sagt Robert Fietzke vom Jugendverband [solid'] und bezeichnet Möllring als »harten Hund«, wenn es ums Sparen geht. Das passt zu Bullerjahn, zu dem ihm ein gutes Verhältnis nachgesagt wird. Beim Sparen wird in Sachsen-Anhalt wohl ab jetzt Doppelpass gespielt.

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