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Relevante Außenseiter

Georg Fülberth über die Piraten und die Alternative für Deutschland

  • Georg Fülberth
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 14. April war Gründungsparteitag der »Alternative für Deutschland«, im Mai treffen sich die Piraten. Beider Umfragewerte haben gegenläufige Tendenz. Die Piraten sind ziemlich weit unter die Fünf-Prozent-Grenze gefallen, der sich die »Alternative für Deutschland« mittlerweile nach oben hin nähert. Manche räumen ihr Chancen ein.

Als die Freibeuter zwischen September 2011 und Mai 2012 vier Landtage enterten, legten sich andere Parteien eine digitale Abteilung zu oder begossen ihre Mauerblümchen: versprengte Freaks in ihren Reihen, die bis dahin ohne großen Erfolg darauf hingewiesen hatten, dass die Dritte Industrielle Revolution inzwischen in Alltag und Politik angekommen ist. Das Entgegenkommen war meist Opportunismus, der sich jetzt in der Erleichterung über den Absturz der Neulinge Luft macht.

Angesichts dieser Reaktion müsste man den Piraten ein Comeback wünschen: einerseits elektronische Überwachung durch Staat und Kapital, neue Kriegsbilder mit Cyberwar und Drohnen; andererseits die Chancen von Transparenz, digitaler Teilhabe und von Freiheit im Netz - wer diese Themen ausblendet, verdrängt Gefahren und Versprechen der Zukunft. Ob sie sich in traditionellen Parteiformen bearbeiten lassen, ist eine andere Frage. Weil auch die Piraten hierauf noch keine Antwort gefunden haben, schwächeln sie. Vielleicht ist es sogar von Vorteil für sie, wenn sie nicht auf Anhieb in den Bundestag kommen. Fallen Konjunkturritter ab, könnte sich herausstellen, dass es unterhalb der fünf Prozent einen stabilen Kern gibt, mit dem neu angefangen werden kann. Erweiterung um soziale Kompetenz könnte für die Piraten ebenso nützlich sein wie auf der Linken dauerhafte Aufmerksamkeit für die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Digitalen.

Was für die Piraten die Zukunft ist, ist bei der »Alternative für Deutschland« die Vergangenheit: die gute alte Zeit der D-Mark. Auch sie haben ein wichtiges Thema getroffen: die festgefahrene Euro-Rettungspolitik. Die hat keine Chance, solange sie Symptompfuscherei bleibt und die Ursachen der Krisen nicht angegangen werden: die wachsende Kluft zwischen Produktivität und Binnenwachstum im Norden, Niederkonkurrieren des Südens. Dass Schuldenbremse und Fiskalpakt dies alles noch schlimmer machen, interessiert die »Alternative für Deutschland« allerdings nicht. Ihre Betreiber - oft CDU-Dissidenten - wollen die verfehlten Therapien nicht absetzen, sondern mehr davon.

Es ist eine bürgerliche Partei, die Schwarz-Gelb auf Trab bringen will. Eine superharte deutsche Währung ist schlecht für den Export. Soll dieser Nachteil kompensiert werden, müssen Löhne, Sozialabgaben und Steuern in der Bundesrepublik noch mehr gedrückt werden. Dass dies zu Lasten der arbeitenden Menschen geht, dürfte klar sein.

Hier geht es um eine Durchbruchsstrategie mit Risiko: Bleibt die »Alternative für Deutschland« unterhalb der fünf Prozent, könnten die an sie verlorenen Stimmen den Parteien der gegenwärtigen Koalition fehlen. Kommen die feinen Wutbürger in den Bundestag, geht es ab nach rechts.

Piraten und »Alternative für Deutschland« mögen Außenseiter sein, aber sie haben Relevanz: erstere durch ihre Themen, letztere durch ihre taktische Funktion im Parteiensystem.

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