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Erneut fehlt eine Akte

Prozess gegen Pfarrer König: Zeuge für Anklage nicht hilfreich

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Verfahren gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König gab es am dritten Prozesstag Hinweise auf weitere bisher unbekannte Unterlagen.

Der 19. Februar 2011 war für den Berliner Polizeibeamten B. ein arbeitsreicher Tag. Vormittags war der Vizezugführer einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei damit befasst, Gegendemonstranten von Aufmarschplätzen der Nazis fernzuhalten, die das Gedenken an den 66. Jahrestags der Zerstörung Dresdens missbrauchen wollten. Der Auftrag gelang nur zeitweise: Ein Kordon, für den B. zuständig war, wurde überrannt. Nachmittags gab B. in einer Aussage zu Protokoll, wie sich das Geschehen im Detail zutrug und zu welchen Scharmützeln es dabei kam.

Ein halbes bis ein Jahr später wurde B. erneut zu den Ereignissen befragt - von Ermittlern der sächsischen Polizei, die dafür eigens nach Berlin gefahren waren. Seine Aussagen seien protokolliert und von ihm unterschrieben worden, sagte der 34-Jährige gestern am dritten Tag im Prozess gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König. Allerdings findet sich das Aussageprotokoll in den Verfahrensakten nicht - ein Umstand, der Königs Verteidiger Johannes Eisenberg nicht nur ärgert, weil sich das »Erinnerungsbild des Zeugen« so schlechter nachvollziehen lasse. Eisenberg sieht vielmehr weitere Indizien dafür, dass Akten »unterdrückt« werden: »Ich glaube nicht, dass das Zufälle sind.«

Das Misstrauen ist begründet: Mitte März war der Prozessauftakt kurzfristig geplatzt, nachdem Eisenberg bei der ersten Durchsicht der Akten ein 170-seitiges Konvolut bisher unbekannter Dokumente entdeckt hatte. In dem daraufhin erst mit zweiwöchiger Verzögerung eröffneten Prozess werden die Unterlagen als »Sonderband« geführt und von der Staatsanwaltschaft auch für die Beweisführung herangezogen. Eisenberg kritisierte das wiederholt und verlangte, auch dem Verbleib von B.s Vernehmungsprotokoll nachzugehen. Eine entsprechende Aufforderung müsse an Sachsens Generalstaatsanwalt ergehen, forderte er: »Der Fisch stinkt schließlich vom Kopfe her.« Der Vorsitzende Richter Ulrich Stein beauftragte indes zunächst den Berliner Polizisten zu klären, wann genau er von wem vernommen wurde.

Für den Vorwurf der Anklage, wonach König aus dem Lautsprecherwagen der Jungen Gemeinde Jena eine Menge gewalttätiger Demonstranten »geführt« haben soll, waren die Aussagen des Zeugen B. nicht hilfreich. Dieser erklärte, sich nicht an den konkreten Wortlaut von Lautsprecherdurchsagen erinnern zu können. Nicht einmal die Farbe des »Lautis« sei ihm im Gedächtnis geblieben. Auf Polizeivideos, die daraufhin gesichtet wurden, sind Ansagen dokumentiert, die eher deeskalierenden Charakter haben. Eine von B. ursprünglich wiedergegebene Ansage, wonach die Demonstranten in eine bestimmte Richtung laufen sollten, um zu den Nazis zu gelangen, ist laut Video so nicht gemacht worden. Zudem versucht die Menge zwar ab und an, die Polizeikette zu durchbrechen, ist aber insgesamt ruhig. Er als Berliner, sagt Eisenberg, sehe in den gefilmten Geschehnissen eine »eher milde Form der Auseinandersetzung«. Der Prozess wird am 28. Mai fortgesetzt.

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