Wembley, 1000 n. Chr.

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Nur noch wenige Tage sind es bis zum Finale, »dem Finale« zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund im Tempel des Fußballs, dem Londoner Wembley-Stadion. Siegen wird bei diesem Wettstreit um die Krone des europäischen Clubfußballs (Champions League) nicht unbedingt die Mannschaft, die den schöneren, besseren Fußball spielt.

Der Fußball hatte seit jeher seine eigene, besondere Ästhetik. Und diese Schönheit war die der krummen Beine. Warum gerade unter den Balltretern die Zahl derer groß ist, deren untere Extremitäten extrem konvex geformt sind, konnte bislang niemand eindeutig klären. Sportwissenschaftler vermuten, »dass es durch die Schuss- und Innenseitenstöße zu einem muskulären Ungleichgewicht der Ab- und Anspreizmuskulatur des Oberschenkels kommt«. (Thorsten Schiffer, Sportwissenschaftler von der Deutschen Sporthochschule in Köln).

Klar ist auf jeden Fall. O-Beine sind nicht erst in der Neuzeit Garant dafür, im Ballsport erfolgreich zu sein. Beim Bau einer Wasserleitung haben die Bewohner eines Dorfes im Südwesten von Mexiko kürzlich die Statue eines Ballspielers entdeckt, deren Alter auf 1000 bis 1500 Jahre geschätzt wird. Gefunden wurden zudem fünf Spielfelder, was vermuten lässt, dass das Areal eine Art Wembley der Vorkolonialzeit war. Die Figur ist 1,65 Meter groß - der Spieler dürfte also nicht unbedingt bei Ecken als Kopfballspezialist eingesetzt worden sein. Fußball, wie er heutzutage bekannt und beliebt ist, haben die Ur-Mexikaner zwar nicht gespielt. Die Archäologen gehen davon aus, dass das Ziel des Ballspiels darin bestand, einen Ball mit der Hüfte durch einen Steinring zu bugsieren. Aber auch dafür müssen O-Beine damals bereits sehr hilfreich gewesen sein, denn die Figur wird krummbeinig dargestellt.

Und noch etwas erinnert uns an heutige Zeiten. Der Ballspieler wird mit einen Spalthieb im Nacken dargestellt, als sei er geköpft worden. Dies deute auf ein Ritual hin, bei dem Figuren als Opfergaben symbolisch »getötet« wurden, erklären die Forscher. Möglicherweise stellte die Statue also einen besonders erfolglosen Spieler dar.

Die kulturelle Ähnlichkeit zwischen der amerikanischen Antike und der europäischen Neuzeit ist frappierend. Was damals Statuen von Ballspielern waren, die man symbolisch als geköpfte Verlierer darstellte, erledigen heute die Boulevard-Medien mit ihren Schlagzeilen.

jam

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