»Fleißig vorbereitet« auf EU-Ratspräsidentschaft

Litauens Regierungschef hofft auf Bewältigung der Krise und erwartet mehr Demokratie in der Ukraine

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Aufschluss über seine Sicht auf die EU-Ratspräsidentschaft Litauens ab 1. Juli 2013 gab dessen Ministerpräsident in einem 20-Minuten-Vortrag.

Mit dem Beifall des litauischen sozialdemokratischen Regierungschefs Algirdas Butkevičius für die Homo-Ehe kann der französische Sozialist François Hollande nicht rechnen. »Negativ!«, beschied der Spitzenmann aus Vilnius einen Frager am Mittwochabend bei seinem Auftritt in der Friedrich-Ebert-Stiftung. Mit dem konservativen deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger dürfte es besser gehen. Denn auch Litauen als künftiger Ratspräsident hat einiges an der EU auszusetzen.

Dabei gibt es offenbar für den litauischen Premier mehr Probleme als Lösungen. Die Bürger verstünden nicht, was die EU-Politik sei, sagt er in seinem Vortrag und bedauert »mangelnde Legitimität« und einen »Stillstand der Demokratie«. Das sei dem Scheitern des Verfassungsvertrages bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden geschuldet.

»Die Exekutive wird stärker, die Rolle des Parlaments nimmt immer mehr ab«, klagt er im gut gefüllten Saal der Stiftung. Er verweist auf »besorgniserregende Ansätze« des Nationalismus und der Homophobie, den Einfluss populistischer Parteien.

Das Jahr 2013 nennt der Premier entscheidend für die Bewältigung der Krise. Er betont die Notwendigkeit nachhaltigen Wachstums, der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, der Stärkung des »sozialen Modells EU«. Die Wirtschaft müsse angekurbelt und die Arbeitslosigkeit bekämpft werden, sagt er. »Wir müssen mehr für unsere Bürger tun.«

Die Formel des Politikers, der auch schon Finanzminister war, lautet: Jedes Land solle seine Finanzen genau planen und nach Prioritäten handeln, das Geld möglichst effektiv ausgeben und eine Kapitalrendite erzielen.

Der weitere Ausblick geht noch tiefer ins Ungefähre: »Ich hoffe, dass Europa verantwortungsvoll und solidarisch bleibt.« Sofort müsse gehandelt werden. Europa solle gestärkt aus der Krise hervorgehen. Butkevičius beschwört »soziale Werte«, die würden mehr denn je gebraucht. Es gelte das Vertrauen der Bürger in die EU zurückzugewinnen und das wirtschaftliche Potenzial besser zu nutzen.

»Wir haben uns sehr fleißig vorbereitet«, versichert der Premierminister. In die Ratspräsidentschaft Litauens fällt mit der Aufnahme Kroatiens sogar eine Erweiterung der Gemeinschaft auf 28 Mitgliedsstaaten. Freilich nennt der Premier die Erweiterung »umstritten« und hat eine »gewisse Erweiterungsmüdigkeit« beobachtet.

Die dürfte anhalten, auch wenn es im November in Vilnius zum Gipfel der Östlichen Partnerschaft kommt - ein Höhepunkt der Präsidentschaft des baltischen Staates. Die Annäherung von Osten her bleibt schwierig. Er hoffe auf das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, versichert der Litauer zwar. Doch der Rest ist Zweifel. Die Annäherung an europäische Werte sei ein langer Prozess. Gewartet werde noch auf »bestimmte Antworten« aus Kiew. Dass die Ukraine ihre Hausaufgaben machen müsse, meint die Freilassung der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Obwohl das an diesem Abend wohl aus präsidialer Rücksicht unausgesprochen bleibt.

Geopolitisch bedeutsam bleibt das Verhältnis zu Moskau. Butkevičius sorgt sich um einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion mit Russland. »Das geht nicht in die europäische Richtung«, merkt er an. Dann klagt er noch über hohe russische Gaspreise und setzt vor allem auf einen europäischen Energieverbund. Russland spielt nicht nur für Litauen eine Rolle, steht aber offiziell »nicht auf dem Programm der Präsidentschaft«.

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