Forschung nicht nur für den Frieden

Am Fachbereich Politik der Freien Universität ist die Einführung einer Zivilklausel gescheitert

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Forschung im Auftrag der Bundeswehr, Offiziere als Gastdozenten oder Projektfinanzierung durch Rüstungskonzerne: All das wird es prinzipiell auch in Zukunft am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität (FU) geben können, denn der Antrag auf Einführung einer Zivilklausel ist am Mittwochvormittag abgelehnt worden.

In der geheimen Abstimmung im zuständigen Fachbereichsrat, der sich aus Vertretern der Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten zusammensetzt, gab es fünf Ja- und neun Neinstimmen bei vier Enthaltungen für den Antrag, den der studentische »Arbeitskreis Zivilklausel« eingebracht hatte. Vorausgegangen war der Abstimmung einer Diskussion, die sich bereits über zwei Semester gezogen hatte und bei der es nicht nur um den konkreten Antrag, sondern auch allgemeiner um das Verhältnis von Forschungsfreiheit, Geldgebern und Militarismus an Hochschulen ging.

»Die am Fachbereich arbeitenden Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter beteiligen sich nicht an Projekten explizit militärischen Nutzens bzw. explizit militärischer Zielsetzung.« Diese Formulierung der Klausel war vielen Professoren ein Dorn im Auge. So kritisierte Thomas Risse, Professor für Internationale Beziehungen, eine solche Vorgabe beeinträchtige die Freiheit von Forschung und Lehre. Sein Kollege Klaus Seghbers ergänzte, er wolle sich »nicht auf einen generellen Pazifismus festlegen lassen«. Die Studenten von der Initiative hielten dagegen, die Zivilklausel setze gerade dem nach der vielen Diskussion ohnehin schon »weichgespülten« Entwurf nur die im Grundgesetz festgehaltene Friedensfinalität um, also die Formulierung, »dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird«. Im Übrigen stelle nicht die Klausel, sondern vielmehr die Forschung im Auftrag von Geldgebern aus der Rüstungsindustrie eine Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit dar.

Es gab jedoch auch von professoraler Seite Zuspruch für die Initiative, die ihren Entwurf immer wieder überarbeitet hatte, um Kritikpunkte aufzunehmen. »Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Studierenden eine Debatte über dieses Thema angestoßen und konstruktiv geführt haben«, so die Dekanin Birgitt Röttger-Rössler.

Diese Debatte will die Initiative auch weiterhin führen: »Durch vorgeschobene Sachzwangargumente entzieht sich der Fachbereich der Verantwortung der Wissenschaft für den Frieden«, sagt Mitglied Liisa Noack, »das werden wir aber nicht hinnehmen«. Ihr Mitstreiter Christian Sowa ergänzt: »Die Klausel im Fachbereich zu verankern, war nur eine von vielen Möglichkeiten, gegen die zunehmende Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und militärischen Akteuren zu kämpfen.« Nun plane man Diskussionsveranstaltungen, Informationsmaterialien und möglicherweise auch einen nächsten Anlauf für die Klausel, dann sogar uniweit.

Patrick Luzina von der berlinweiten Initiative für Zivilklauseln bedauert die Entscheidung an der FU: »Das ist ein Armutszeugnis für den Fachbereich, der so die Chance vertan hat, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen«, sagt er. Nun werde man gemeinsam neue Wege prüfen. »Eine Möglichkeit könnte sein, eine Zivilklausel im Berliner Landeshochschulgesetz verankern zu lassen.« In Brandenburg hatte die LINKE angekündigt, sich bei der anstehenden Novellierung des Hochschulgesetztes für eine solche Klausel einzusetzen. Zivilklauseln gibt es bisher an acht deutschen Universitäten.

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