»Das ist erst der Anfang«: Protestierende trotzen Erdogans Drohungen und bleiben im Gezi-Park

Türkische Protestbewegung setzt Widerstand »stärker, besser organisiert und optimistischer« fort / Anhänger von AKP-Regierungschef demonstrieren

  • Lesedauer: 3 Min.

Istanbul (Agenturen/nd). Die Protestbewegung im Istanbuler Gezi-Park will ihren Widerstand auch nach dem Kompromissvorschlag von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan fortsetzen. Die Besetzung des Parks gehe weiter, weil wesentliche Forderungen der Protestbewegung wie eine Bestrafung der Verantwortlichen für Polizeigewalt nicht erfüllt seien, teilte die Taksim-Plattform mit. Sie gehört zu den Organisatoren der seit mehr als zwei Wochen andauernden Protestwelle gegen die islamisch-konservative Regierung.

„Wir werden unseren Widerstand angesichts der Ungerechtigkeiten in unserem Land fortführen“, hieß es in einer Erklärung. „Heute sind wir noch stärker, besser organisiert und optimistischer“ als zu Beginn der Proteste. „Das ist erst der Anfang“, schrieb das Bündnis weiter. Grund für die Fortsetzung der Proteste gegen Erdogan sei auch, dass festgenommene Demonstranten bislang nicht freigelassen worden seien.

Erdogan hatte nach den schweren Protesten gegen seinen autoritären Regierungsstil in der Taksim-Frage zwar teilweise eingelenkt. Im Streit um ein Bauprojekt im Gezi-Park will die Regierung die endgültige Entscheidung des Gerichts abwarten, das die Arbeiten gestoppt hatte. Dann soll es noch ein Referendum geben. Erdogan hatte aber auch mehrfach gewarnt, die Demonstranten sollten den Park verlassen, weil die Polizei dort gegen Extremisten vorgehen solle.

Es gebe keine ernsthafte Strafverfolgung von Polizisten oder Einsatzleitern, die für den Tod von Demonstranten verantwortlich seien, erklärte die Taksim-Plattform. „Seit dem Beginn des Widerstands hat die Regierung klare und berechtigte Forderungen ignoriert.“ Es werde versucht zu spalten, zu provozieren und die Rechtmäßigkeit des Protests zu beschädigen. Dies sei nicht gelungen. Die Demonstranten hatten einen Tag lang über ihre weitere Strategie beraten.

Die landesweite Protestwelle in der Türkei hatte sich vor zwei Wochen an der brutalen Räumung eines Protestlagers im Gezi-Park entzündet. Die Regierung plant dort den Nachbau einer osmanischen Kaserne, in der es Wohnungen, Geschäfte oder ein Museum geben soll. Inzwischen richten sich die Demonstrationen aber vor allem gegen Erdogans autoritären Regierungsstil. Bei den Demonstrationen sind bisher fünf Menschen getötet worden, mehrere tausend Menschen wurden verletzt.

Nach zwei Wochen massiver Anti-Regierungsproteste in Istanbul haben sich am Samstag zehntausende Anhänger des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor den Toren Ankaras versammelt. Gegen die angeblichen „Extremisten“ vom Istanbuler Taksim-Platz feierten die Mitglieder der konservativ-islamischen Partei AKP im Zentrum des Vororts Sincan die „echte Türkei“, als deren Anwalt sich Erdogan darstellt. „Wir werden nicht zulassen, dass unser Ministerpräsident Opfer einer Verschwörung in der Türkei und aus dem Ausland wird“, sagte der 32-jährige Erdogan-Anhänger Ekrem Cakir.

Mit hunderten von der AKP gemieteten Bussen wurden die Parteimitglieder nach Sincan gebracht. Die Wahlkampfveranstaltung vor der Kommunalwahl im kommenden Jahr sollte den bedrängten Regierungschef wieder in die Offensive bringen. „Das letzte Wort kehrt zu unserem geschätzten Volk zurück, und nicht zu den Randalierern“, hieß es mit Blick auf die Ausschreitungen in Istanbul auf einem Plakat. „Jetzt sieht die Welt die Wahrheit“ stand auf Englisch auf einem anderen Plakat, eine offenkundige Botschaft an ausländische Medien.

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