Reise mit Zielen in Südamerika

Ein Exil Edward Snowdens in Ecuador käme der Regierung Correa gelegen

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Kuba, Ecuador und Venezuela: Die mögliche Fluchtroute des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden führt über die Karibik und Südamerika.

Wahrscheinlich ist derzeit, dass der 30-jährige IT-Spezialist im südamerikanischen Ecuador Zuflucht findet. Dessen Außenminister Ricardo Patiño verteidigte zu Wochenbeginn die grundsätzlich positive Haltung seiner Regierung zu einem Asylantrag.

Die lateinamerikanischen und karibischen Staaten sehen in dem Fall eine willkommene Revanche. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gab es kaum einen rechten Diktator, gescheiterten Putschisten oder militanten Gegner linksgerichteter Regierungen aus der Region, der nicht von den USA aufgenommen worden wäre. Nun drehen diese Staaten den Spieß um: Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño gab während eines Vietnam-Besuchs am Sonntag über den Kurznachrichtendienst Twitter bekannt, dass seine Regierung ein Asylantrag Snowdens erreicht habe.

Snowden wäre der zweite Aktivist, der von Ecuador aufgenommen würde. Vor einem Jahr bereits hatte sich der australische Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet. Dort sitzt er bis heute fest, weil die britischen Behörden ihm die Ausreise verweigern. Vor wenigen Tagen erst hatten Ecuador und Großbritannien eine Expertenkommission eingesetzt, um das diplomatische Problem um den Fall Assange zu lösen.

Am Montag nun nahm Patiño ausführlicher zu dem Antrag Snowdens Stellung. Bei einer Pressekonferenz in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi verteidigte der Diplomat erneut die Bereitschaft seines Landes, den 30-jährigen Whistleblower aufzunehmen. Snowden habe sich in einem Brief an Präsident Correa gewandt und seinen Asylantrag mit der zu erwartenden politischen Verfolgung in den USA begründet, so Patiño. Negative Konsequenzen im Verhältnis mit Washington erwarte man nicht, fügte er selbstbewusst an. Jedwede Entscheidung müsse sich »auf Respekt und die Souveränität beider Staaten sowie auf die Prinzipien des Völkerrechts stützen«.

Natürlich aber hat der Streit zwischen den USA und lateinamerikanischen Staaten um den Flüchtling Snowden auch eine starke politische Komponente. Die Aufnahme des US-kubanischen Terroristen Luis Posada Carriles, der unbehelligt in Miami, Florida, lebt, belastet das Verhältnis Washingtons zu Kuba und Venezuela seit Jahren. Im Fall Ecuadors schützen die US-Behörden den 2000 gestürzten Präsidenten Jamil Mahuad (1998-2000), der in seinem Heimatland wegen Korruption und Menschenrechtsverbrechen vor Gericht gestellt werden soll.

In westlichen Medien wird indes Ecuador als wahrscheinliches Zielland Snowdens kritisch hinterfragt. Die Regierung Correa befindet sich seit Jahren im Dauerclinch mit privaten Medienkonzernen, die sich ebenso wie in Venezuela und Bolivien mehr als politische Akteure denn als unabhängige Medien verstehen. Als das rechtsgerichtete Kampfblatt »El Universo« den Staatschef 2010 nach einem gescheiterten Putschversuch gegen dessen Regierung des mehrfachen Mordes beschuldigte, holte die Regierung zum juristischen Gegenschlag aus. Sie erwirkte empfindliche Strafen gegen die Verantwortlichen. Der Fall wird bis heute als Beleg für die vermeintliche Unterdrückung der Pressefreiheit in Ecuador angeführt. Dass sich Assange und Snowden ausgerechnet dieses Land als Exil ausgesucht haben, dürfte der Regierung vor dem Hintergrund dieser Debatte gelegen kommen.

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