Gorleben im Hinterkopf

Atommüll-Endlagersuche soll angeblich ergebnisoffen sein

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Endlagersuchgesetz ist verabschiedet. Atomkraftgegner befürchten, dass der Salzstock im Wendland heimlicher Favorit für einen Standort bleibt.

Vor dem Reichstag türmten Demonstranten gelbe Fässer aufeinander, um auf das Atommülldesaster aufmerksam zu machen. Drinnen im Parlament taten Union, SPD und Grüne so, als könnten sie das Problem lösen. Mit großer Mehrheit verabschiedeten sie gestern Nachmittag das Endlagersuchgesetz - es soll den Weg frei machen für eine ergebnisoffene und transparente Suche nach einer dauerhaften Lagerstätte für hoch radioaktive Abfälle. Bis 2031 soll sie gefunden sein. Die LINKE stimmte geschlossen gegen das Gesetz, das am kommenden Freitag noch den Bundesrat passieren muss.

Die ursprüngliche Fassung des Gesetzentwurfs wurde in den vergangenen Monaten mehrmals überarbeitet, immer wieder erzwangen einzelne Parteien, Bundesländer oder öffentlicher Druck Korrekturen. Und doch ist in dem Gesetz nur wenig entschieden worden. Viele Streitpunkte bleiben ausgeklammert.

Die eigentliche Suche startet frühestens 2016. Zunächst soll eine 33-köpfige Expertenkommission Kriterien und Grundlagen dafür erarbeiten und Empfehlungen geben: Welches Gestein kommt in Frage? Soll der Atommüll rückholbar gelagert werden, gegebenenfalls sogar oberirdisch? In der Kommission werden neben Wissenschaftlern und Umweltexperten auch 16 Politiker aus Bundestag und Bundesländern sitzen. Sie sollen aber kein Stimmrecht haben.

Die Entscheidung über die zu untersuchenden Standorte sowie letztlich die Standortauswahl treffen Bundestag und Bundesrat. Die Kosten für die Endlagersuche - mindestens zwei Milliarden Euro - sollen die AKW-Betreiber tragen. Ein Export von Atommüll wird ausgeschlossen.

Castortransporte in das bestehende Atommüllzwischenlager Gorleben soll es dem Gesetz zufolge nicht mehr geben. Die noch erwarteten 26 Castoren aus der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield und aus dem französischen La Hague sollen vorläufig in bestehende Zwischenlager an AKW-Standorten gebracht werden. Über die Zielorte gibt es heftigen Streit, die Entscheidung wurde auf Anfang 2014 vertagt.

»Das Verfahren wurde im Affentempo durch alle Instanzen gepuscht, um ein großes Streitthema zwischen den Parteien aus dem Weg zu räumen und damit nach den Bundestagswahlen neue Koalitionsoptionen zu eröffnen«, kritisierte gestern Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Eine sachliche und umfassende gesellschaftliche Debatte des Atommüllproblems habe es nicht gegeben. Die BI befürchtet zudem, dass die angeblich ergebnisoffene Suche am Ende doch wieder auf Gorleben hinausläuft. Das sieht die Anti-Atom-Organisation »Ausgestrahlt« genauso: »Weil der ungeeignete Salzstock Gorleben Teil des Suchverfahrens bleibt, wird weiter hauptsächlich über das Für und Wider von Gorleben gestritten werden«, mutmaßt Sprecher Jochen Stay.

Auch die Europaabgeordnete der Grünen, Rebecca Harms, sieht den Konflikt um Gorleben mit der Verabschiedung des Gesetzes nicht beendet. Schon der Streit um die Zwischenlagerung der letzten Castorbehälter habe gezeigt, wie viel politischer Sprengstoff im angeblichen Konsens stecke. In den Debatten um den Neuanfang hätten die alten Anhänger eines Endlagers im Gorlebener Salzstock deutlich gemacht, dass sie auch in Zukunft für Gorleben eintreten würden. Das Gesetz allein werde sie daran nicht hindern.

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