Camp vor dem Knasttor

Hungerstreik im Abschiebegefängnis Eisenhüttenstadt fortgesetzt / Aktivisten errichteten Zelte

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch Eisenhüttenstadt hat jetzt ein Flüchtlingscamp. Seit dem Dienstag Mittag steht ein Zelt vor der Aufnahmestelle für Flüchtlinge. »Damit wollen wir die hungerstreikenden Flüchtlinge im Abschiebeknast unterstützen«, sagt Camporganisator Dirk Stegemann.

Das Innenministerium in Potsdam bestätigt, dass vier der ursprünglich acht Hungerstreikenden am gestrigen Dienstag die Nahrungsverweigerung fortsetzten. Sprecher Wolfgang Brandt wies zugleich die Behauptung des »Netzwerks gegen Lager und Abschiebung Eisenhüttenstadt« zurück, wonach mehrere Männer auch die Aufnahme von Flüssigkeit verweigern würden. »Das war zu keinem Zeitpunkt zutreffend«, sagt Brandt. »Alle Männer trinken ausreichend Wasser.«

Mit dem Hungerstreik wollen die Männer aus Georgien und Pakistan einen Zugang zu einem faiern Asylverfahren erwirken und gegen ihre bevorstehende Abschiebung protestieren. Alle vier Männer sind sogenannte Dublin-II-Fälle. Das heißt, sie sollen in ein anderes EU-Land zurückgeschoben werden, um dort ihr Asylverfahren fortzusetzen. Im Falle der Georgier sind das Polen und baltische Staaten, in denen die Situation von Asylsuchenden oft problematisch ist. Im Falle des Pakistani Usman Manir ist das Ungarn, von wo er wegen rassistischer Überfälle nach Deutschland floh. Wie berichtet, misslang seine Rückschiebung nach Ungarn vor zwei Wochen, weil ein kanadischer Fluggast sich weigerte, im Flugzeug seinen Sitzplatz einzunehmen.

Berenice Böhlo ist Anwältin des Mannes und hält seine Abschiebehaft für komplett rechtswidrig. »Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hat die Abschiebung untersagt. Abschiebehaft ist nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichtes aber nur zur Sicherung einer kurzfristig anstehenden Abschiebung zulässig«, sagt sie. Das Problem seien Behörden und Gerichte in Eisenhüttenstadt. »Die Bundespolizei hat die Fortsetzung der Abschiebehaft beantragt und es würde mich überraschen, wenn das Amtsgericht Eisenhüttenstadt dem nicht stattgeben würde.« Ihrer Ansicht nach ist am dortigen Gericht nicht nur eine einzelne Richterin problematisch, über die das ZDF und »nd« berichtet hatten. »Das gesamte Gericht ist äußerst behördenfreundlich und nimmt den Flüchtlingen gegenüber problematische Positionen ein.« In die Kritik schließt Böhlo ausdrücklich auch den beauftragten Arzt ein. »Er hat meinen Mandanten als haft-, flug- und verwahrfähig bezeichnet und dabei die Verhinderung der Abschiebung als «Asylantenmissbrauch» kritisiert, was keine medizinische Aussage ist und ihm darum als Mediziner nicht zusteht. «So eine sachfremde Äußerung wurde aber vom Gericht nicht einmal gerügt.»

Das «Netzwerk gegen Lager und Abschiebung Eisenhüttenstadt» kritisiert außerdem die schlechte medizinische und psychosoziale Versorgung der Flüchtlinge. Die läge nach Angaben des Flüchtlingsrates zu großen Teilen in der Hand einer Krankenschwester, die keine Fremdsprachen spreche und sehr großzügig Schmerzmittel verteile, eine Vorstellung bei Fachärzten aus finanziellen Gründen aber oft verweigere. Außerdem behauptet das Netzwerk, zwei der Hungerstreikenden in Eisenhüttenstadt wären nach eigenen Angaben an Tuberkulose erkrankt.

Das Innenministerium weist diese Darstellungen zurück. «Das mit der Tuberkulose ist grober Unfug. So eine Krankheit würden Ärzte und Krankenschwestern sofort erkennen und die Kranken nicht inhaftieren,» sagt Wolfgang Brandt. Eine medizinische Versorgung sei gesichert.

Als Reaktion auf einen Suizid eines Afrikaners Ende Mai in der Erstaufnahmestelle Eisenhüttenstadt, auf deren Gelände auch der Abschiebeknast liegt, hatte das Innenministerium zusätzliche Stellen für die psychosoziale Betreuung der Flüchtlinge versprochen. Jetzt sind zwei Stellen für Sozialbetreuer ausgeschrieben. Nach Angaben der Behördenleitung sind Fremdsprachenkenntnisse aber keine Voraussetzung.

Behördenchef Norbert Wendorf ist auch skeptisch, ob er wegen der miesen Bezahlung Fachpersonal findet. Der Flüchtlingsrat kritisiert das. Sprecherin Simone Tetzlaff: «Vielleicht fühlen sich ausgebildete Sozialbetreuer einfach dort nicht wohl. Die Stellen sind immerhin bei einem Wachschutzunternehmen angesiedelt, der eng mit der Behörde zusammenarbeitet.» Sollte sich wirklich kein Fachpersonal finden, so Tetzlaff, «dann stellt sich die Standortfrage».

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