Merkel spielt die Ahnungslose

Bundeskanzlerin will in der NSA-Abhöraffäre erst einmal abwarten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei ihrer Sommerpressekonferenz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag einen vagen Acht-Punkte-Plan für eine Verbesserung des Datenschutzes vorgestellt. Oppositionspolitiker kritisierten die mangelnde Aufklärung beim NSA-Abhörskandal.

Angela Merkel hat Aufklärung über die NSA-Abhöraffäre versprochen. Auf einen Zeitplan wollte sich die Kanzlerin jedoch bei ihrem traditionellen Sommerauftritt vor der Bundespressekonferenz nicht festlegen. Zunächst einmal müssten die US-Amerikaner die deutschen Bitten prüfen. »Ich kann doch nur zur Kenntnis nehmen, dass unsere amerikanischen Partner hierfür Zeit brauchen«, so die CDU-Chefin. Sie selbst gab sich bezüglich des US-amerikanischen Überwachungsprogramms Prism ahnungslos. »Mir ist es unmöglich, eine Analyse von Prism zu liefern«, sagte Merkel.

Zahlreiche weitere Fragen der Hauptstadtjournalisten zu dem Thema beantwortete sie ausweichend. Auf harte Kritik an der USA-Regierung verzichtete Merkel. Die US-Amerikaner seien »Partner« und »Freunde«. Zur Spionage der USA von EU-Einrichtungen sagte Merkel lediglich: »Unter Freunden macht man das nicht. Das muss aufgeklärt werden.«

Die Kanzlerin will allerdings nicht als völlig tatenlose Zuschauerin der Abhöraffäre wirken. Zur Beruhigung des Wahlvolkes hatte sie einen Acht-Punkte-Plan für eine Verbesserung des Datenschutzes mitgebracht. Das Auswärtige Amt solle mit den USA über die Aufhebung einer Verwaltungsvereinbarung von 1968 verhandeln, kündigte Merkel an. Laut dieser Regelung müssen Abhörmaßnahmen der USA in der Bundesrepublik nicht von der G-10-Parlamentskommission genehmigt werden. Auch sollen gemeinsame Standards zur Tätigkeit von Auslandsnachrichtendiensten entwickelt werden. Zudem plant die Bundesregierung, die Bürger über Datenschutz aufzuklären, damit sie ihre Kommunikation verschlüsseln können.

Oppositionspolitiker reagierten erwartungsgemäß unzufrieden auf Merkels Ankündigungen. LINKE-Innenpolitiker Jan Korte monierte, ihre acht Schlussfolgerungen seien Ausdruck von Unfähigkeit oder Unwillen, Licht ins Überwachungsdunkel zu bringen. Der Bundestag sei aufgerufen, die Aufklärung selbst in die Hand zu nehmen. »Eine Delegation des Bundestages, am besten des Innenausschusses, sollte sich auf den Weg nach Moskau machen, um dort Edward Snowden zu treffen und zu befragen«, schlug Korte vor. Der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Snowden hatte die US-Datenspionage enthüllt.

Noch während der Merkel-Pressekonferenz erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck, der Auftritt sei »nicht nur eine Beleidigung an alle Zuhörer, die Aufklärung erwartet haben, sondern auch eine intellektuelle Beleidigung aller Kanzleramtsmitarbeiter, so zu tun, als hätte man von nichts eine Ahnung«.

Den Verlust vieler Wähler muss die Kanzlerin wegen der Abhöraffäre aber wohl nicht fürchten. Der Deutschlandtrend des ARD-Morgenmagazins ergab zwar, dass mehr als zwei Drittel der Deutschen unzufrieden mit den »Aufklärungsbemühungen« von Schwarz-Gelb sind. Bei der Wahlentscheidung spielt dies für 70 Prozent der Befragten aber nur eine geringe oder gar keine Rolle.

Nächste Woche will Merkel die Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema lenken und sich im Wahlkampf von der Flutkatastrophe antreiben lassen. Kurz vor ihrem Sommerurlaub in Südtirol reist sie am Dienstag zu Betroffenen nach Fischbeck und Kamern in Sachsen-Anhalt, um dort den Anwohnern Unterstützung zuzusichern.

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