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Streikverbot für ver.di?

Fragwürdig

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: ie Gewerkschaft ver.di weitet nach kurzer Verschnaufpause ihre Schleusenstreiks aus. Ihr Verband fordert eine Einschränkung des Streikrechts. Ist das moderat?
Schwanen: Das ist ja nur eine Forderung von vielen im Zusammenhang mit der Streikmaßnahme. Unsere Kernforderung lautet, dass ver.di Maß und Ziel im Auge behalten sollte. Wir haben überhaupt kein Problem damit, wenn ver.di von einem legitimen Recht im Rahmen des kollektiven Arbeitsrechts Gebrauch macht. Und Arbeitsniederlegung ist ein legitimer Teil davon. Wenn Sie die Pressemitteilung, auf die Sie anspielen, lesen, dann sehen Sie, dass wir bewusst keine Partei ergriffen haben, weder für die Bundesregierung noch für die Gewerkschaft. Die Frage ist nur: In welcher Dimension wird gestreikt? Und trifft der Streik die Richtigen?

Pardon, das Streikrecht gehöre »auf den Prüfstand« und zwar »im Bereich sensibler, volkswirtschaftlich relevanter Infrastrukturen«, steht in Ihrer Mitteilung.
Genau.

Zu den »relevanten Infrastrukturen« zählen Sie Wasserstraßen, Häfen, Flughäfen und Schienen. Warum nicht auch Strom- und Datennetze, Krankenhäuser, Kraftwerke, Bibliotheken, Kindergärten, Müllabfuhr ...?
Die letzten drei Bereiche nicht, die ersten drei würde ich durchaus dazu zählen. Auch die genannten Netze, Krankenhäuser und Kraftwerke gehören zu den »kritischen Infrastrukturen«, nur wollten wir diesen Terminus vermeiden, weil er sperrig wirkt. Bei »kritischen Infrastrukturen« steht eine elementare Grundversorgung im Raum. Hinzu kommt: Normalerweise legen Arbeitnehmer zum Beispiel im produzierenden Gewerbe die Arbeit nieder, um Druck auf die Arbeitgeber auszuüben, der diesen Druck unmittelbar zu spüren bekommt. Hier aber entsteht überhaupt kein Druck und überhaupt kein Schaden beim Arbeitgeber, sondern ausschließlich bei Dritten ...

...den Binnenschiffern.
Ver.di fügt den Binnenschiffern bewusst einen enormen wirtschaftlichen Schaden zu. Das hat der Bundesvorstand uns vorher in einem Schreiben angekündigt. Dabei sind nicht wir die Adressaten der ver.di-Forderungen, sondern die Bundesregierung. Wir meinen, dass solche Streiks, die allein Schäden bei Dritten auslösen, auf den Prüfstand gehören.

Der Bundesinnenminister möge dem Streik »so schnell wie möglich ein Ende bereiten«, appelliert Ihr Verband. Soll Hans-Peter Friedrich etwa die GSG9 schicken?
Überhaupt nicht! Der Bundesinnenminister ist Verhandlungsführer auf Arbeitgeberseite. Es muss eine gesichtswahrende Lösung für alle Beteiligten geben. Es ist mir egal, wie Herr Friedrich den Weg dahin findet. Auch ver.di muss Zugeständnisse machen. Ich möchte nur, dass der Schaden der Branche, die ich vertrete, ein Ende hat.

Ver.di befürchtet den Abbau von 3000 weiteren Stellen in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Wie kann ver.di sich ohne Streik dagegen wehren?
Gerne auch mit Streik, aber nicht in dieser Dimension. Wenn das Ruhrgebiet für sieben Tage komplett dicht gemacht wird, dann ist das in meinen Augen nicht mehr verhältnismäßig. Hier hätte ein Streik von 24 oder meinetwegen 48 Stunden gereicht, um die Muskeln spielen zu lassen und zu zeigen: »Leute, wir können auch ganz anders!« Interview: Marcus Meier

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